Schon Attila gefiel es hier

50 000 Touristen besuchen jährlich Bollendorf und Umgebung. Für einen Tag schlüpfte TV-Redakteurin Ilse Rosenschild in die Rolle des Feriengastes.

Bollendorf. Normalerweise benötigen Journalisten vor allem Schreibblock, Kuli und eine Kamera. Wenn ich in diesem Fall noch Badeanzug und Sonnencreme dazugepackt habe, hat das einen besonderen Grund. Auf dem Programm steht ein Urlaubstag in der eigenen Region, dem Luftkurort Bollendorf.Für das Auto gibt's schon mal einen Logenplatz: am Gestade der Sauer unter blühenden Kastanien. Ein Uferweg lädt zum Flanieren ein. Doch das erste Ziel ist die Tourist-Information, unschwer zu finden im ehemaligen Zollhäuschen an der Bollendorfer Brücke. Ein Tag in Bollendorf, das ist angesichts dessen, was die Region des deutsch-luxemburgischen Naturpark zu bieten hat, eindeutig zu wenig, ist der auskunftsfreudige, ältere Herr im Verkehrsamt überzeugt. Das Ausland beginnt jenseits der Brücke

Er spricht von traumhaften Wanderwegen Richtung Fersch weiler Plateau und der luxemburgischen Schweiz, vom Kanu-Fahren auf der Sauer, von der Burg Bollendorf sowie dem wenige Kilometer entfernten Schloss Weilerbach und gibt mir in weiser Voraussicht ein Gastgeberverzeichnis für den nächsten Besuch mit.Ich beschließe, zunächst entspannt an der Sauer entlangzuflanieren und habe die parkähnliche Anlage bis auf wenige Radfahrer und Gassigeher für mich allein. Auf dem Wasser gleiten hin und wieder bemannte Kanus vorbei. Nicht nur gestresste Großstadtmenschen können diese Ruhe genießen. Die Sauer ist seit 1815 ein Grenzfluss, wie ich im Tourismus-Büro erfahren habe. Damals wurde Europa nach den Napoleonischen Kriegen politisch neu geordnet. Und die Bollendorfer jenseits der Brücke fanden sich quasi über Nacht im Ausland wieder. Daran hat sich seit dieser Zeit nichts geändert: Ob Eifeler oder Tourist, wer über die Brücke geht oder fährt, verlässt deutschen Boden. Trotzdem hat der Schlagbaum dank des Schengener Abkommens nur noch symbolischen Wert. Wer jenseits der Brücke nach "Bollendorf/Pont" gelangt, merkt auf den ersten Blick, dass er tatsächlich in Luxemburg ist, nicht nur an den Benzinpreisen an der Tankstelle. Nach einer Stippvisite bei der St.-Michaels-Kirche knurrt so langsam der Magen. Höchste Zeit für den Besuch auf der Burg Bollendorf, in dem sich heute ein Hotel und ein Restaurant befinden. Den stillen Innenhof muss ich mit nur wenigen Gästen teilen. Während ich auf den Eifler Lammrücken mit Kartoffelgratin und Thymiangemüse warte, studiere ich die Burgchronik etwas genauer und erfahre, dass einst Hunnenkönig Attila sich hier aufhielt.Über Hunderte von Jahren gehörte das Anwesen zur nahe gelegenen Abtei Echternach. Einen Verdauungsspaziergang später begegne ich am wenige Kilometer entfernten Schloss Weilerbach erneut den Spuren der Echternacher Benediktiner. Bei der Ankunft fallen Mauerreste ins Auge. Reste einer römischen Villa? Völlig daneben. Es sind die Ruinen eines früheren Hüttenwerkes. Besonders ins Auge fallen eine restaurierte Gießereihalle und ein Schornstein. Die Weilerbacher Eisenhütte wurde von der Echternacher Abtei im 18. Jahrhundert errichtet. Sie war bis 1958 in Betrieb. Vor allem Öfen und Takenplatten wurden dort hergestellt. Ein kleiner Ausschnitt aus der Produktpalette ist im Museumscafé in der Remise des benachbarten Schlosses zu sehen. Der prachtvolle Barockbau war 1780 sozusagen als Sommerhaus des Echternacher Abtes gebaut worden. Heute residieren Firmen in dem schmucken Gebäude. Ins Konzert - oder gleich heiraten

Wer in den Genuss einer Besichtigung kommen will, hat zwei Möglichkeiten: Man kann ein Konzert besuchen oder - heiraten. Denn im Schloss befindet sich ein Trauzimmer des Irreler Standesamts. Da beides an dem Tag nicht zur Diskussion steht, will ich die Umgebung erkunden und entdecke ein Kleinod: den traumhaft schönen Barockgarten des Schlosses. Streng geometrisch angeordnet sind Buchsbäume und Brunnenanlagen. Ein Gartenpavillon und ein Brunnenhaus komplettieren den Anblick.Ein wohl verdienter Freibadbesuch soll den Tagesausflug abrunden. Doch daraus wird nichts. Obwohl das Thermometer sich der 30-Grad-Marke annähert, ist das Bollendorfer Freibad bei meinem Tagestrip noch nicht geöffnet. (Seit 22. Mai kann man sich dort in die Fluten stürzen.) Ich tröste mich mit einem Schattenplatz unter den Kastanien, wo der Ausflug begonnen hat, und werfe einen letzten Blick auf die silbrigglänzende Grenze zwischen Eifel und Luxemburg.

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