Schule anno dazumal

Vor wenigen Wochen hat der Unterricht für zahlreiche Schüler nach den Sommerferien wieder angefangen. Dies nahm die 83 Jahre alte Thalfangerin Wilma Schmidt zum Anlass, sich noch einmal mit ihrer Schulzeit auseinanderzusetzen.

Thalfang. (red) Mit fünf Jahren besuchte ich im April 1930 die dreiklassige Volksschule in Thalfang. Mit einem festen Lederranzen, einer Schiefertafel, hölzerner Griffeldose, Schwammdose und zwei gehäktelten Tafelläppchen, traten wir jeden Morgen um halb acht, den Ranzen auf dem Rücken, unseren Weg an.

Bei Wind und Wetter, Sonne und Regen. Egal ob es schneite, so dass wir durch meterhohe Schneewehen stapfen mussten. Unsere Kleidung war auch noch nicht die unserer heutigen Jugend. Einen wetterfesten Anorak kannten wir noch nicht, allenfalls einen dicken Lodenmantel, dicke gestrickte Schafwollstrümpfe, Mütze und Handschuhe, dazu feste genagelte Lederschuhe.

Unsere erste Lehrperson war Fräulein Zieteck. Sie stammte aus Wuppertal-Eberfeld. Als ersten lernten wir mit Strichen und dem Vers "Auf, ab, auf Pünktchen drauf" den Buchstaden "i" . Dann das ganze ABC und die Zahlen eins bis zehn. Beim Lesen benutzten wir zuerst unsere Hände und Finger, Bei "o" fasten wir uns an Ohr, bei "n" an die Nase. So lernten wir jeden Buchstaben besser begreifen. Mit Fräulein Zieteck machten wir unseren ersten Ausflug zur Monzelsmühle oberhalb von Dhronecken (heute Stiefelsmühle). Dort konnten wir dann sehen, wie Korn zu Mehl gemahlen wurde, mit dem unser Brot gebacken wurde. Einer unserer Schüler konnte leider an dem Ausflug nicht teilnehmen. Es war Hänschen Backes. Er war zu klein und die Lehrerin meinte, es sei zu anstrengend für ihn und versprach ihm aber, etwas Schönes mitzubringen. Sie kaufte auf der Mühle einen Hasen, den wir ihm dann schenkten.

Die nächsten vier Jahre, von Klasse drei bis sechs, hatten wir bei Lehrer Martin. Es kam eine ganze Reihe Fächer hinzu, wie Religion, Singen und Turnen. Es gab auch schon mal Schläge mit einem Stock oder einer Rute. Bei den Mädchen meistens auf die Finger und den Jungen über Rücken und Hosenboden. Auch ich bekam mal eine Backpfeife, weil ich nicht aufgepasst hatte. Ich war nämlich mit meinen Gedanken auf dem großen Sängerfest in Bäsch, auf der Schiffschaukel.

Mir tat es weiter nicht weh, doch einen anderen Jungen hatte es häufiger getroffen. Es war Ernst Merten, ein groß gewachsener, schlanker Junge. Er war nicht so ganz mitgekommen und auch etwas kränklich. Bei einem Schlag auf die Backe waren ihm zwei große Backenzähne ausgefallen. Daraufhin schickte man ihn einfach nach Hause. Es kamen keine Beschwerden, und damit war die Sache abgetan. In der heutigen Zeit würde man sich vor Gericht wieder sehen. Bei den Bauernkindern hatte sich Lehrer Martin nicht beliebt gemacht, da er sich oft nicht schön über die Bauern äußerte. Dies tat ihm Jahre später, während des Krieges, leid. Seine Kollegen und Nachbarn wurden von den Bauern mit etwas Wurstsuppe, einem Hühnchen, Gemüse und anderem bedacht, deshalb kam es zwischen ihm und seinen Nachbarn zum Streit.

Die beiden letzten Schuljahre hatten wir bei Lehrer Klein. Jeden Morgen hatten wir die erste Stunde auf dem Schulhof Gymnastik mit Musik oder Turnen am Barren und Reck. Als Kleidung hatten wir kurze schwarze Turnhosen und ein weißes Turnhemd und Turnschuhe. Dann ging es in den Unterricht. Die Katholiken hatten indessen ein Stunde frei. Sie bekamen aber Unterricht bei ihrem Pastor. Judenkinder hatten wir in unserer Schulzeit in Thalfang keine. Eine einzige, die mir bekannt und ein paar Jahre älter war, war Edith Simon, die Tochter von Moritz Simon. Sie ging aufs Gymnasium nach Hermeskeil.

August 1937. Es hieß, Soldaten kommen zum Manöver nach Thalfang. Dazu brauchte die Armee Unterkünfte. Deshalb zogen die Soldaten in unsere Schulräume ein, und unser Unterricht fand für 14 Tage in freier Natur, oberhalb von Thalfang im Wald statt. Für uns war das eine Abwechslung. Im Sommer hatten wir immer unser Jugendsportfest auf der Immerter Heide, oberhalb des Kriegerdenkmals. Angesagt waren Turnübungen, Laufen, Springen und Werfen. Wer die meisten Punkte hatte, wurde mit einer Siegernadel, Eichenlaub oder sogar mit einem Siegerkranz aus Eichenlaub geehrt. Es gab auch Brötchen, Würstchen und Getränke. In dieser Zeit gab es bei uns auch schon eine Schulspeisung, wobei kränkliche Kinder oder Kinder aus sozialschwachen Familien ihr Brötchen mit Kakao oder Essen bekamen, das von der NS-Frauenschaft gekocht wurde. Einige wurden zur Erholung weggeschickt.

Wilma Schmidt aus Thalfang

Die Fortsetzung folgt nächste Woche.



Wenn auch Sie eine historische Anekdote kennen, schreiben Sie unter dem Stichwort "Dorfgeschichten" mit Namen, Adresse und Telefonnummer an die E-Mail-Adresse mosel@volksfreund.de. Wichtig ist, dass Ihre Geschichte höchstens 2000 Anschläge umfasst.

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