Spontan und sehr lebendig - oder ganz solide

LÜCKENBURG. Nach beruflichen Stationen in den USA, Hongkong und Australien lebt der Künstler Hermann Wurzel seit neun Jahren in Lückenburg. Eine Entscheidung, die ihm Muße und viele Ideen bescherte.

Gemalt hat Hermann Wurzel schon immer. Eine Leidenschaft, die im Elternhaus Unterstützung fand. "Als Kind war es für mich selbstverständlich, dass man malen kann", erinnert sich der ausgebildete Farbenlithograf. Erst später habe er erfahren, "dass es Menschen gibt, die nicht malen können." Was ihn sehr verwunderte. Als etwa 40-Jähriger absolvierte er dann nebenberuflich eine mehrjährige Ausbildung in Aquarell- und Ölmalerei. Ein zentrales Motiv, das sich wie ein roter Faden durch die Arbeiten des 69-Jährigen zieht, ist das Darstellen von Blumen. Daneben malt Wurzel Landschaften, Stadtansichten, Idylle und Portraits. Allesamt in Öl und Aquarell: "Ich habe für beides eine gleich starke Zuneigung." Die Unterschiede der beiden Techniken verdeutlicht der Künstler mit dem ungewöhnlichen Vergleich: "Malen ist wie Rodeoreiten". Doch ähnlich wie der Reiter, der sich am Temperament des Pferdes orientiere, müsse der Künstler sich bei einem Aquarell anpassen an die Art, wie die Farbe läuft. Dieses Ineinanderfließen, das Einfühlen in den Charakter der Farbe sei mit Öl nicht möglich. Oder anders ausgerückt: "Das Pferd läuft genauso, wie man will." Für Wurzel hat jedoch beides seinen Reiz. "Das Eine hat etwas sehr spontanes, lebendiges - das Andere etwas sehr solides." Während sich der gebürtige Seligenstädter künstlerisch weiter entwickelte, führte ihn sein Beruf als Farbenlithograf über den halben Globus. Nach dem Start in Steinheim bei Hanau lernte er im schweizerischen Bern die "Internationale Gralsbewegung" kennen, deren Mitglied er bis heute ist. Später arbeitete er in den USA, genauer in Washington und Milwaukee. 1958 heiratete er Ehefrau Annemarie, mit der er wenige Woche danach nach Hongkong aufbrach. Dort nahm er seine erste leitende Stellung wahr. "Zu der Zeit hat es noch keine Wolkenkratzer dort gegeben" erinnern sich die Beiden. Die Stadt, in der Annemarie Wurzel einen Chinesen beauftragte, ihrem Mann eine erste Staffelei "zu basteln", war noch nicht das spätere Finanzzentrum. Ermuntert durch seine Frau, malte Wurzel im australischen Melbourne hauptsächlich in Öl. Nach den Auslandsaufenthalten lebte und arbeitete das Paar, das zwei erwachsene Söhne und zwei Enkelkinder hat, 30 Jahre in Rastatt. Dass der Wohnsitz seit 1995 Lückenburg ist, hat sich eher zufällig durch Freunde ergeben, die dort bereits lebten. Bereut hat Wurzel diese Entscheidung jedenfalls nicht. Abgesehen von dem schönen Panorama, das er von seinem Haus aus genießen kann, hat der kleine Ort einen weiteren Vorteil zu bieten. "Vor allen Dingen hat man hier viele Ideen", weiß der Künstler zu schätzen. "Man hat Ruhe und ist nicht abgelenkt", fügt Ehefrau Annemarie hinzu. Bedingungen, die für Wurzel nicht immer selbstverständlich waren und die er vor allem in den voran gegangenen zwölf Jahren als selbständiger Farbenlithograf vermisst hatte. Damals fing sein Tag oft um fünf Uhr morgens an. Andererseits brachte ihn das Malen aber auch beruflich ein Stück weiter, wie er meint. Vor allem die Auslandsaufenthalte, während der er mit den Menschen lebte und nicht nur dort zu Besuch war, haben ihm seiner Ansicht nach sehr viel gebracht. Vor allem im Hinblick auf das Verständnis für andere Menschen. Lebenserfahrungen, die er nicht missen möchte und die ihm heute bei seinen Vorträgen zugute kommen. Für diese hat er sich in Themen wie "Vincent van Gogh", "Russische Zwiebelturmkuppeln oder "Urknall - Werk Gottes oder der Wissenschaft" eingearbeitet. Zwischen Projekten wie diesen nimmt er sich aber immer wieder Zeit zur Muße. "Ich setz' mich auch gern mal hin", gesteht Wurzel ein. Vorzugsweise aber zum Lesen oder Schreiben. Oder er schaut fern, was er natürlich speziell bei Kunstbeiträgen nicht versäumt. Derzeit stellt Hermann Wurzel im Hunsrückhaus am Erbes-kopf aus. Seine Gemälde sind bis zum 26. September während der Geschäftszeiten der Natur- und Umweltbildungsstätte zu sehen.

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