Spurensuche führt zu Stolpersteinen

Auf Initiative Talllinger Jugendlicher erinnern Stolpersteine an vier während der Zeit des Nationalsozialismus umgebrachte jüdische Bürger. Nachkommen der Familie Hirsch, die über Generationen in Talling ansässig war, leben heute in Amerika.

Talling. Binnen weniger Minuten hat Künstler Gunter Demnig die vier Stolpersteine verlegt. Die eingravierten Namen erinnern an das Tallinger Ehepaar Leo und Emilie Hirsch und Leos Schwestern Sofia und Flora. Das Haus, in dem sie bis zu ihrer Deportation 1941 lebten, wurde erst kürzlich abgerissen. Laut Ortsbürgermeister Erich Thösen war es das einzig noch verbliebene im einstigen "Judenecken". Daher ist die Lücke nun wieder deutlicher geworden, die die ehemaligen Mitbürger hinterlassen hätten. Ihre Deportation nach Lodz sei "ein Weg in den sicheren Tod in der Fremde" gewesen.

Die Stolpersteine sind dem Engagement Tallinger Jugendlicher zu verdanken. Parallel zur "Kinder- und jugendfreundlichen Dorferneuerung" hatten sie sich auf "Spurensuche" begeben. Sie wollten sich dafür einsetzen, dass die jüdischen Bewohner des Dorfes nicht vergessen werden. Der beispielhafte Einsatz hat ihnen den dritten Preis des Dorferneuerungswettbewerbes eingebracht, den sie am 7. November in Mainz erhalten. Hilfreich bei ihren Recherchen seien Gespräche mit älteren Leuten gewesen, die die Familie noch gekannt hätten, erzählen Esther Enad, Hannah und Jonas Wenig, Alexander Born und Sebastian Bollig, die für den Neun-Uhr-Termin schulfrei bekommen haben. Vieles hätten sie zudem in Büchern gelesen, wie dem der Fronhofenerin Hilde Weirich, die auch vor Ort ist. Dass sie in Amerika Verwandte ausfindig machen konnten, freut sie besonders. Herbert Hirsch, dessen Vater Nathan rechtzeitig ausgewandert war, habe auf ihren Brief auch mit einem Video geantwortet. "Darin hat er zum Ausdruck gebracht, dass er sich freut, dass wir nach ihm gesucht haben", erzählt Hannah. Josef Dostert kann sich noch an Leo Hirsch erinnern. Er sei neun Jahre alt gewesen, als ein von Pferden gezogener Leiterwagen die Familie abgeholt habe. Dass die jungen Leute sich dieser "unrühmlichen Geschichte" angenommen hätten, sei sehr gut. Es sei wichtig, weiterzugeben, "was in der damaligen schlimmen Zeit passiert ist".

Talling ist laut Demnig die 491. Kommune in Deutschland mit Stolpersteinen, von denen er 95 Prozent selbst verlegt habe. Europaweit seien bisher 20 400 Steine verlegt. Ziel seines 1993 gestarteten und teils über Spenden und Patenschaften finanzierten Projektes ist, "Geschichte nicht dem Vergessen anheimzugeben". EXTRA Jüdische Gemeinden: In der heutigen Verbandsgemeinde Thalfang lebten etwa ab 1770 jüdische Mitbürger. Talling stellte die zweitgrößte Gemeinde mit zehn bis 15 Personen. Einzelne lebten in Bäsch, Dhronecken und Berglicht. Die jüdische Gemeinde in Thalfang zählte laut Chronik um 1844 126 jüdische Bürger, die damit knapp 23 Prozent der Bevölkerung stellten. 1933 waren es noch 37 Personen (5,6 Prozent). (urs)

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