Starb Husarenphilipp zu Unrecht?

HUNSRÜCK (ua) Der große Prozess gegen den Schinderhannes alias Johannes Bückler und die Mitglieder seiner Bande wurde Anfang November 1803 abgeschlossen: Neben Bückler mussten 19 seiner Spießgesellen unter der Guillotine sterben - darunter auch der Husarenphilipp.

Nach Verkündung der Urteile, so schrieb ein Mainzer Gerichtsreporter, "wurden den Angeklagten Erfrischungen gegeben, wobey sich Bückler äußerst gelassen betrug; der so genannte Husarenphilipp aber mit einer Kälte sein Frühstück einnahm, als ob ihn alles nichts angienge". Wer war dieser abgebrüht erscheinende Verbrecher? Philipp Klein, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, war gebürtig aus Wickenrodt. Die Todesstrafe erhielt er wegen seiner Beteiligung an einem Diebstahl auf der Antesmühle bei Schmidthachenbach sowie aufgrund seiner Mitwirkung bei dem darauf folgenden Raubüberfall in Otzweiler, in dessen Verlauf der Bauer Peter Riegel getötet wurde. Ordentliches Vorstrafenregister

Den gerichtlichen Protokollen ist allerdings nicht zu entnehmen, ob Klein bei diesen Aktionen eine wesentliche Rolle gespielt haben könnte. Es verwundert sehr, dass die Mainzer Richter Philipp Kleins bloße Beteiligung an den beiden Verbrechen mit einem Todesurteil belegten. Handelt es sich um einen Irrtum der Justiz? Oder sind die überlieferten Fakten unvollständig? Dass der Husarenphilipp kein "kleiner Fisch" gewesen sein könnte, klingt allenfalls durch sein Vorstrafenregister an, das dem Kirner Friedensrichter Nicolaus Becker vorgelegen hat: "Philipp Klein, genannt Husarenphilipp, war schon von dem Zuchtgerichte des Bezirks von Birkenfeld wegen gefährlicher Betteley zu einjähriger Zuchthausstrafe verurteilt worden. Danach ward er aus dem Zuchthaus entlassen und kehrte nach seiner Heymath zurück, wo ihn ein neuer Verhaftsbefehl des Friedensrichters des Cantons Kirn erwartete. Die Polizeygarden des Cantons Bernkastel fiengen ihn zu Grumenau (= Krummenau), und der gedachte Friedensrichter (kein anderer als Nicolaus Becker!) schickte ihn vor das Gericht nach Maynz." Nicht minder nährt Beckers überschwängliches Eigenlob in der von ihm selber verfassten "Actenmäßigen Geschichte der Räuberbanden" die Zweifel an seiner Sorgfalt. Becker über Becker: "Der Friedensrichter des Cantons Kirn, dem das Publicum, wie man gesehen hat, so manche Arrestation der Mitschuldigen des Schinderhannes verdankt, ist Bürger Becker, Verfasser gegenwärtiger Geschichte und Sicherheitsbeamter des Bezirks von Simmern. Er war einer von den Männern, welche von Jean Bon-St. André (französischer Präfekt in Mainz) zur Ausrottung der Bande des Schinderhannes ausersehen wurden. Er hat wegen seiner Dienste ein Belobungsschreiben von dem Justizminister erhalten." Nicht nur wegen der Anrüchigkeit solch Selbstlobs erwächst im heutigen Leser, sobald er nach schlüssigen Motiven sucht, der Verdacht, als habe sich die Justiz mit der Überstellung Husarenphilipps an das Mainzer Tribunal eines unbequemen Zeitgenossen entledigt. Eine ganz und gar unsträfliche Rolle spielte Philipp Klein bei der "Brautwerbung" für Schinderhannes. Julie Bläsius schilderte diesen Hergang vor dem Untersuchungsrichter: "Ein Mann von Dickesbach kam in meinen Geburtsort. Er traf mich mit meiner Schwester Margarethe in dem Wirtshaus des Jakob Fritsch an. Derselbe sagte zu mir und meiner Schwester Margarethe, wir sollten mit ihm in den Wald, Dollbach genannt, gehen, es wäre da jemand, der mit uns reden wolle. Obschon ich auf diesen Vorschlag mich nicht dahin begeben wollte, gelang es dem Mann von Dickesbach, mich zu bereden, mit ihm zu gehen. Räuberromanze beginnt einer Entführung

Als ich in den Wald kam, traf ich einen schönen jungen Menschen da an, der mir den Vorschlag machte, meine Eltern zu verlassen und ihm zu folgen. Da ich seinen Vorschlag nicht annehmen wollte, drohte er mir, mich umzubringen, und auf diese Art wurde ich mit Gewalt dazu gebracht, diesem Unbekannten zu folgen. Erst lange nachher, und als ich schon zu weit von meinen Eltern entfernt war, erfuhr ich, dass der Mann, der mich entführte, der Schinderhannes sei." Das Wäldchen, in dessen Schatten die Räuber-Romanze begonnen hat, ist noch heute genau zu lokalisieren: Der Ort liegt an der B 41 zwischen Kirn und Idar-Obersteins östlichstem Stadtteil Weierbach: Ob sich da ein Sponsor fände, der am Ort des historischen Rendezvous' einen Gedenkstein für Hannes und Julchen aufstellen möchte? Und - nicht zu vergessen - für den Husarenphilipp.

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