"Stibitzen" heißt nach ihm

HUNSRÜCK. Dass gemeinsam mit dem Schinderhannes auch 19 seiner Bandenmitglieder unter dem Fallbeil sterben mussten, war einem Sondergesetz der "Franzosenzeit" geschuldet, das seit 1794 für jeglichen Raubeinbruch in ein bewohntes Haus die Todesstrafe vorsah.

Nach heutiger Rechtsprechung hätten beim Mainzer Schauprozess im November 1803 höchstenfalls vier oder fünf Komplizen eine Höchststrafe erhalten. So zum Beispiel der als Mörder überführte Peter Stibitz aus Sienhachenbach, der bei einem Raubüberfall in Otzweiler den Landwirt Peter Riegel getötet hatte. Zwar erlangte Peter Stibitz so etwas wie "Unsterblichkeit", indem sein Nachname in das kriminelle Tätigkeitsmerkmal "stibitzen" verbalisiert wurde, doch seine schlimmste Missetat war kein Diebstahl, sondern Mord. In den Gerichtsprotokollen aus Mainz wird der Tathergang geschildert: "Zehn bis zwölf Mann drangen ein, packten die Bewohner des Hauses, misshandelten sie und verlangten Geld. Konrad Bär, der Schwiegersohn des Riegel, entwischte, wurde aber eingeholt und auf das furchtbarste verprügelt. Er konnte jedoch noch bis zum Welchenrother Hofe, wo sein Nebenbuhler Heinrich Philippi zu Hause war, kriechen, und kehrte erst am nächsten Tage zurück. Riegel und seine Frau wurden mit Knüppeln geschlagen, und man drohte ihnen durch vorgehaltene Flinten mit dem Tode, falls sie Lärm machen oder ihr Geld verheimlichen würden. Während der Durchsuchung des Hauses nahm Riegel einen günstigen Augenblick wahr, sprang im Hemd zum Fenster hinaus und versuchte zu fliehen oder Hilfe zu holen.Die anderen Räuber missbilligen den Mord

Unvorsichtiger Weise nannte er dabei den Peter Stibitz, den er erkannte, beim Namen. Dieser schoss und jagte dem Unglücklichen eine Schrotladung in den Unterleib, die ihn sofort tot niederstreckte. Daraufhin ließ Schinderhannes die Aktion unverzüglich abbrechen und soll geäußert haben: ‚So ist denn alles verdorben und mit euch Menschen nichts anzufangen!' Auch Riegels Nachbarin, Marie Margareta Schneider, welche der Lärm ans Fenster getrieben hatte, erhielt einen Schuss in die Brust, der aber nur eine unbedeutende Verletzung zur Folge hatte. Inzwischen war das ganze Dorf alarmiert worden, und die Räuber zogen unverrichteter Sache ab."Nicht nur wegen der entgangenen Beute wurde der Mord von den anderen Räubern scharf missbilligt. Vielmehr waren die meisten selber entsetzt über die Brutalität ihres Spießgesellen Stibitz. Und vor dem Tribunal in Mainz trug gerade dieses Verbrechen erheblich zur Verschärfung des Strafmaßes für alle an dem missglückten Raubzug Beteiligten bei. Nach der Untat suchte Stibitz gemeinsam mit Johannes Bückler das Weite auf der rechten Rheinseite, wo sich später seine Spur verlor. Nicolaus Becker, der republikanische Friedensrichter von Kirn, beschrieb die Flucht der beiden Räuber: "Christoph Schillinger von Bontenbach, Cantons Rhaunen, gemeinlich Schinderstoffel genannt, nahm das Geschäft über sich, beyde glücklich hinüber zu geleiten. Sie brachen Morgens früh von Bontenbach auf und brachten die Nacht bey dem Abdecker zu Schweppenhausen im Canton Stromberg zu." Unterwegs begegneten den Flüchtigen im Soonwald "auf dem Wege zwischen Henau und Schwarzerden, in der Gegend von der runden Buche, zwei Bauern von der Mosel". Und obwohl die Räuber allen Anlass dazu hatten, sich unauffällig fortzuschleichen, brachten sie es doch nicht übers Herz, solch eine leichte Beute ziehen zulassen. Prompt knöpften sie den Überrumpelten mehr als 300 Gulden ab. "Andern Tags fuhren sie bey Geisenheim über den Rhein. Wie die Abdeckerfamilien in den meisten Staaten ganz enge zusammenhängen, so fand auch Schinderhannes auf dem rechten Rhein-Ufer, wo er schon vorher jedoch nur momentanisch gewesen war, alte Bekannte und Freunde wieder."

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