TV -INTERVIEW

In Sachen demografische Entwicklung kennt sich Christian Muschwitz vom Taurus-Institut in Trier bestens aus. Der Trierische Volksfreund befragte ihn nach den Konsequenzen für die Region. Ihr Institut hat die Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung von Bund und Land auf die Region Trier heruntergebrochen.

Was passiert in der Region? Bestenfalls verändert sich das Verhältnis der 19- bis 65-Jährigen zu den über 65-Jährigen auf 44 zu 100. Das heißt: Im Jahr 2040 teilen sich in der Region zwei Arbeitnehmer die Versorgung eines Rentner. Wo liegen die größten Probleme? Das Kernproblem an sich ist die Altersstruktur von morgen: Die Gruppe der Alten wird viel größer sein, und viele Alte von morgen werden ärmer sein als die Generation der Alten von heute. Fatal ist, dass der anwachsenden Gruppe älterer Menschen mit geringerem Einkommen eine kleiner werdende Gruppe von Arbeitnehmern gegenübersteht. Was passiert mit der Infrastruktur? Zunächst werden die vorhandenen Infrastrukturen von immer weniger Menschen genutzt. Die Auslastung nimmt ab, die Betriebskosten steigen. Diese werden auf die Preise umgelegt, was die Einrichtungen unattraktiver macht. Die Folge: Die Nachfrage sinkt weiter. Damit wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt. Was heißt das konkret zum Beispiel für Schulen und Kindergärten? Zuerst nimmt die Auslastung für Kindergärten ab, dann die der Grundschulen und später die der weiterführenden Schulen. Schon heute werden auch im Hunsrück Grundschule einzügig betrieben, Kinder weit gefahren. Gerade für Schulen und Kindergärten gilt: Wird das Angebot zurückgefahren, sinkt die Attraktivität des Standortes. Und die Altenpflege? Derzeit greifen noch immer private Netzwerke, kommen Familienmitglieder für die Pflege der Angehörigen mit auf. In Ein-Kind-Familien wird die Last von einem Nachkommen getragen. Kinderlose Singles sind noch schlechter gestellt. Was passiert mit dem ÖPNV? Er wird derzeit in der Hauptsache durch den Schülerverkehr finanziert. Da es von ihnen immer weniger gibt, wird das Angebot in der Fläche teurer werden, teils sicher völlig eingestellt. Um den ÖPNV aufrecht zu erhalten, müssen frühzeitig neue Nachfrage-Gruppen aktiviert werden. Die Hände in den Schoß legen, ist sicher nicht der richtige Weg. Welche Möglichkeit gibt es für Kommunalpolitiker entgegenzusteuern? Wichtigste Strategie ist die schnellstmögliche Einführung einer flächendeckenden bezahlbaren Ganztagsbetreuung für Kinder und Jugendliche in Deutschland. Außerdem: Wenn Mittel knapper werden, muss regional kooperiert werden, damit im regionalen Kontext lokal Qualität erhalten werden kann, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung. Besonders der Wohnungsbedarf muss geprüft werden, um nicht einen ruinösen Wettbewerb einzuleiten. Was kann man denn Bürgern raten, worauf müssen sie bei der Zukunftsplanung achten? Im eigenen Interesse sollten sich die Bürger massiv für mehr Kinderfreundlichkeit engagieren. Keinesfalls sollten sie ihrer Region den Rücken kehren, stattdessen an der Verbesserung der Rahmenbedingungen arbeiten. Frei nach Kästner: Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es. Das Interview führte TV-Redakteurin Ilse Rosenschild.

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