Vergessener Braten lag noch in der Truhe

TALLING. (jolo) Wehmut und nostalgisches Schwärmen sind hier fehl am Platz. Die gemeindeeigene und fast 50 Jahre alte Gefrieranlage wird Ende des Jahres dicht gemacht. Der Grund: Die Kosten übersteigen den Nutzen. Allein der Vorkühlraum bleibt.

Christine Breth, damals noch ein Schulmädchen, und Margarethe Trierweiler können sich noch genau daran erinnern, als 1957 das Gemeindehaus mit der im Erdgeschoss befindlichen Gefrieranlage mit großem Tamtam eingeweiht wurde. Damals war "Naubauersch Gretel", heute älteste Einwohnerin Tallings, 48. Alle Hausgemeinschaften des Dorfes hatten eines der 40 Gefrierfächer für einen geringen jährlichen Obolus angemietet. Ende des Jahres wird nun die einzige betriebsbereite und gemeindeeigene Gefrieranlage weit und breit dicht gemacht. Ortsbürgermeister Rudi Marx klärt auf: ,,Der Haushalt unseres Dorfes ist wie der vieler Gemeinden nicht rosig, halt unausgeglichen. Die Kommunalaufsicht schaut da ganz besonders auf ungedeckte freiwillige Leistungen der Gemeinden. Und da die Gebühren unserer Gefrierfächer den Gemeindezuschuss nicht ausgleichen, jetzt wieder die regelmäßigen Reparaturen wie beispielsweise Dichtmachen der Fächer fällig wären und die Gemeinde die Miete erhöhen müsste, ist im Dezember endgültig Schluss." Was dann mit dem freiwerdenden Raum geschieht, wird später entschieden. Dann wird bestimmt jemand eine solch zündende Idee haben wie damals während der 1956/57er Bauphase des ursprünglich geplanten Kühlhauses, als man nicht nur beschloss, Platz zu finden für die gemeindeeigene Viehwaage und die Kelter, sondern ein Stockwerk für den Gemeindesaal draufzusetzen. Der wird damals wie heute für Familien- und Gemeindefeiern benutzt und dient den Hobby-Tischtennisspielern als Trainingsraum. Bauunternehmer Werner Thomalla erinnert sich, dass der Gemeindebau mit drei Maurern hochgezogen wurde.Finanzierung nach Kleinicher Modell

Beispielgebend für die Finanzierung sei damals der Hunsrückort Kleinich gewesen. Die Kleinicher wie später ebenfalls die Tallinger nutzten das Geld, das ihnen die Franzosen als Entschädigung für gehauenes Holz gaben, um ihre Kühlhäuser auf solide finanzielle Füße zu stellen. Daran kann sich Christine Breth, deren Vater in den 50er Jahren stellvertretender Ortsbürgermeister war, noch gut erinnern. Ebenso weiß die Ur-Tallingerin, dass Fachleute von der Landwirtschaftsschule vor der Inbetriebnahme der Gefrieranlage die Bürger aufklärten, wie man richtig einfriert. Wenn jetzt das Ende der Gefrieranlage naht, werden Erinnerungen wach, über die man wohl noch lange erzählt. Da sind einerseits die Kinder, die beispielsweise ins Kühlhaus laufen mussten, um den vergessenen Nachtisch aus dem Fach zu holen. Andererseits bemerkten Tallinger Hausfrauen samstags gegen Mitternacht, dass der Sonntagsbraten noch im Gefrierfach lag. Eine Sache werden die Kinder vor allem in der Sommerhitze künftig vermissen: in die Gefrierfächer zu klettern, um das festgefrorene Eis nach draußen zu befördern. Jetzt hoffen die Tallinger samt ihrem "¡Ortsbürgermeister Rudi Marx, dass die altersschwache Gefrieranlage bis zu ihrem offiziellen Stillstand am Jahresende nicht den Geist aufgibt.

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