Vom Grenzfall mit der Grableuchte

Im Kreis Bernkastel-Wittlich weigert sich der Müllentsorger Remondis, gelbe Säcke von Friedhöfen mitzunehmen, die mit ausgebrannten Grableuchten gefüllt sind. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm und im Raum Trier ist Remondis ebenfalls Entsorger. Aber hier werden entsprechend gefüllte gelbe Säcke mitgenommen. Doch das könnte sich bald ändern.

 Wohin mit den Grableuchten? Ein Entsorger, fünf Kreise, drei Regelungen.TV-Foto: Gernot Ludwig

Wohin mit den Grableuchten? Ein Entsorger, fünf Kreise, drei Regelungen.TV-Foto: Gernot Ludwig

Heidenburg/Wittlich. "Das ist eine Schweinerei", schimpft Dietmar Jäger, Bürgermeister der 800-Seelengemeinde Heidenburg im Hunsrück. Auf dem Bauhof seiner Gemeinde türmen sich gelbe Säcke vom örtlichen Friedhof, die mit ausgebrannten Grabkerzen gefüllt sind. "Wir werfen die schon seit mehr als zehn Jahren in den gelben Sack. Da hat es nie Probleme gegeben, jetzt auf einmal soll das nicht mehr wahr sein." Die zuständige Kreisverwaltung in Wittlich hat den Kommunalvertretern vor etwa drei Wochen mitgeteilt, dass ausgebrannte Grabkerzen entgegen der bisherigen Gepflogenheit künftig in den Restabfall gehören. Die Grabkerze hat nichts im gelben Sack verloren

Der Bürgermeister versteht die Welt nicht mehr, vor allem, weil doch auf jedem der meist roten Dauerbrenner ein Etikett mit dem grünen Punkt klebt. "Der bezieht sich nur aufs Etikett, nicht auf die Hülle", heißt es beim Dualen System Deutschland (DSD). Außerdem verweist man auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln. Das entschied 1997, dass die Kunststoffhülle der Grabkerze ein "Produkt" und nicht "Verpackung" sei und damit auch nichts im gelben Sack verloren hätte. So gesehen handelt Remondis also rechtens. Warum aber im Kreis Bernkastel-Wittlich ein zehn Jahre altes Urteil erst jetzt Anwendung findet, weiß DSD-Pressesprecher Norbert Völl auch nicht: "Remondis ist seit Januar 2007 neuer Entsorger im Kreis. Er will wohl die Vorgaben besonders gut erfüllen." Im Eifelkreis Bitburg-Prüm ist Remondis ebenfalls seit Januar neuer Entsorger. Auch hier ließen die Müllmänner gelbe Säcke mit Grabkerzen stehen. "Das gab ziemlich Ärger in einigen Dörfern", sagt ein Mitarbeiter. "Da wurde die Order zurückgezogen." Offiziell heißt es, zur Klärung gäbe es in Kürze eine Besprechung. Eventuelle Änderungen würden danach veröffentlicht. Neu im Geschäft ist Remondis auch im Vulkaneifelkreis. Dort werden Grabkerzen im gelben Sack entsorgt, heißt es von der Pressestelle. Es gäbe auch keine Beschwerden in Sachen Abholung.Auch in Trier gibt es keinen Ärger mit den Grablichtern. Dort entsorgt die ART (Zweck-verband Abfallwirtschaft im Raum Trier) im Auftrag von Remondis Verpackungsmüll. In seinem Abfall-Abc im Internet empfiehlt die ART, Grableuchten in den gelben Sack zu werfen. Pressesprecherin Elisabeth Hill bestätigte dies telefonisch. Aber nur wenige Stunden nach der TV-Anfrage wurde der Eintrag im Internet geändert. Nun gehören die Dauerbrenner in den Restmüll. Bei der ART-GmbH, die die Sortieranlage betreibt, wo die gelben Säcke aus der gesamten Region landen, kann man die Aufregung nicht verstehen: "Das mit den Grabkerzen ist sicherlich ein Grenzfall", sagt Ernst Weires, der Geschäftsführer. "Ich krieg die nicht vom DSD bezahlt, aber Fehlbefüllungen der Säcke sind einkalkuliert. Grabkerzen gehen in der Masse unter, sie sind bedeutungslos." Bürger sortieren Müll nachlässiger

Aber warum lässt Remondis dann Säcke stehen? "Das Sortierverhalten der Bürger hat allgemein nachgelassen, und da haben die Mitarbeiter die Anweisung, auf so genannte Fehlwürfe zu achten", sagt Remondis-Pressesprecherin Katja Dartsch. Ein Insider dagegen behauptet: DSD lege teilweise bei Ausschreibungen Müllmengen abhängig von der Einwohnerzahl in einem Kreis fest. Überschreitet der Entsorger die, muss er einen Malus zahlen. Liegt die Menge unter dem vereinbarten Gewicht, gibt es einen Bonus. Im Klartext: Remondis würde falsch gefüllte Säcke stehen lassen, um Kosten zu sparen und im Idealfall noch einen Bonus zu bekommen. Weil die Grableuchten nun in der grauen Tonne entsorgt werden müssen, rechnet Heidenburgs Bürgermeister Dietmar Jäger mit Mehrkosten von rund 500 Euro im Jahr. "Im Schnitt gibt es bei uns zehn Beerdigungen im Jahr. Teile ich die Kosten auf, steigen die Kosten pro Beerdigung um 50 Euro. Meinung Mogelpackung im Plastiksack Zwei Erklärungen gibt es, warum Grableuchten-Reste aus Plastik nicht in die gelben Säcke geworfen werden dürfen. Die harmlosere ist, dass beim Müllentsorger die eine Hand nicht immer weiß, was die andere tut. Das ist vor allem ärgerlich für den Bürger. Dem dürfte schwer verständlich zu machen sein, dass der grüne Punkt auf der Grableuchten-Verpackung nicht für die Grableuchten selber gilt. Dass es diesen feinen Unterschied gibt, mag de jure auch so stimmen. De facto ist das nichts anderes als eine Mogelpackung. Mehr als nur ärgerlich wäre es, falls der zweite Erklärungsversuch für das Stochern im gelben Sack zuträfe. Nämlich, dass Entsorger aufgrund eines vom Dualen System Deutschland (DSD) initiierten Bonus-Malus-Systems bei Müllmengen durch die Hintertüre ihren Gewinn mit der Abfuhr von Jogurt-Bechern, Chips-Tüten und Plastikflaschen mehren wollen. Der Verbraucher stünde diesem Treiben übrigens nicht hilflos gegenüber. Von Grableuchten-Resten befreite gelbe Säcke müssten die Müllwerker bei der nächsten Abfuhr dann schließlich doch mitnehmen… um am Ende gemeinsam in der Müllverbrennung zu landen. h.jansen@volksfreund.de

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