Vom "Nazi-Dorf" zum Positiv-Beispiel

Am Montag jährt sich der Tag, als in Gonzerath mehr als 2000 Menschen gegen das geplante Schulungszentrum der NPD demonstrierten. Längst ist wieder Normalität im Dorf eingekehrt. Was damals passiert ist, werden die Gonzerather so schnell nicht vergessen.

Gonzerath. Wenn Dietmar Thömmes heute seinen Computer anmacht, ist eine seiner ersten Amtshandlungen, im Internet nach den neuesten Informationen der NPD Ausschau zu halten. "Meine Frau schüttelt den Kopf darüber", sagt er. Aber für den Gonzerather Ortsvorsteher sind die Geschehnisse um die alte Schule in Gonzerath unvergessen. Am 3. März vergangenen Jahres demonstrierten mehr als 2000 Menschen in Gonzerath gegen das geplante Schulungszentrum der NPD. Durch Presse, Funk und Fernsehen gingen Bilder von Menschenmassen, die durch den 1200-Einwohner-Ort zogen. Besonders unerfreulich war für Thömmes die Erfahrung, dass Fremden im Dorf plötzlich Misstrauen entgegenschlug. "Es könnten ja welche von denen sein", habe man gefürchtet. Das Gefühl ist längst Geschichte, nicht aber die Erfahrung, wie schnell sich eine solche Gruppierung vor der eigenen Haustür breitmachen kann.In positiver Erinnerung bleibt Thömmes vor allem die große Unterstützung, die die Gonzerather erfahren haben. "Auch das Dorf stand zusammen", erinnert sich Thömmes. Das sieht Judith Linn von der Bürgerinitiative "Gonzerath gegen Rechts" ganz genauso. "Das ganze Dorf hat sich auf die Hinterbeine gestellt, spät, aber gewaltig", blickt sie zurück. Dennoch ist das Geschehen vor einem Jahr für sie "total unwirklich". Noch immer beschleiche sie ein "mulmiges Gefühl", wenn sie an der Alten Schule vorbeigehe, wo sich die NPD-Leute damals niedergelassen hatten. Das juristische Tauziehen um das Gebäude, das ein Geschäftsmann der NPD vermietet hatte, ist übrigens noch nicht beendet. Inzwischen gibt es ein Urteil, dass laut Gregor Eibes, Bürgermeister von Morbach, zugunsten der Gemeinde ausfällt, allerdings noch nicht rechtskräftig ist. Dennoch habe die Gemeinde einen vollstreckbaren Titel. Das heißt: Sie kann das Gebäude, in dem sich offenbar noch Gegenstände des früheren Eigentümers befinden, zwangsräumen lassen. Auch für den Rathaus-Chef ist die Demonstration in Gonzerath sehr präsent. Am 3. März habe man einen "gewaltigen Eindruck bei der NPD" hinterlassen. Die Rechtsextremen hätten erfahren, dass sie nicht willkommen sind und hätten "sehr schnell Leine gezogen". Allerdings hat die Gemeinde dabei ein bisschen nachgeholfen (siehe "Extra"). Eine Sorge hat sich im Nachhinein als gegenstandslos herausgestellt: Der Ort wurde nicht dauerhaft als "Nazi-Dorf" abgestempelt. Im Gegenteil: Immer wieder sei Gonzerath als positives Beispiel im Umgang mit dem Rechtsex tremismus genannt worden. Trotzdem müsse man weiter wachsam sein, mahnt der SPD-Landtagsabgeordnete Dieter Burgard in einer Presseerklärung: "Denn die braune Gefahr wird brutaler und sucht auch andere Wege." Extra Rückblick: Am 3. Dezember 2006 hält die NPD in Gonzerath ihren Landesparteitag ab. Damit wird publik, dass die rechtsextreme Organisation in Gonzerath Fuß gefasst hat. Zudem wird bekannt, dass sie die Alte Schule, die die Organisation angemietet hat, als Schulungszentrum nutzen will. Mehr als 70 Gruppierungen rufen zu einer Großdemonstration am 3. März 2007 auf. Mehr als 2000 Menschen - darunter der Landtagspräsident Joachim Mertes - kommen und verleihen ihrem Protest gegen die NPD Ausdruck. Nur kurze Zeit später schafft die Gemeinde Morbach Fakten und macht von ihrem Rückkaufrecht Gebrauch. Ermöglicht wird das durch einen Passus im Vertrag, der 2001 den Verkauf der gemeindeeigenen Immobilie an einen Geschäftsmann besiegelte. Der NPD wird gekündigt. Im April wird die Alte Schule wegen "lebensgefährlicher Baumängel" geschlossen. Am 5. Mai räumt die NPD die Immobilie und unterschreibt eine Verzichtserklärung. (iro)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort