Was tun, wenn der Vater beim Essen tobt

THALFANG. Mehr als eine Million Menschen leiden bundesweit an Demenz, Tendenz steigend. Angehörige, die demenzkranke Menschen betreuen, sind auf sich allein gestellt mit der Situation häufig überfordert. Jetzt soll ein Netzwerk Abhilfe schaffen.

Die Demenz-Symptome sind ganz unterschiedlich. Die einen entwickeln einen regelrechten Putzfimmel, die anderen können sich nicht mehr orientieren. Häufig verstecken die Erkrankten alles mögliche und finden es nicht wieder. Sie vergessen den Namen ihrer Kinder oder wissen nicht, welcher Wochentag ist. Als typisches Symptom für Demenz nennt Claudia Conder vom Seniorenheim Charlottenhöhe einen Rückzug aus dem sozialen Umfeld, aus "Angst, vielen Dingen nicht mehr gewachsen zu sein". Die Pflegedienstleiterin kennt sich aus: 60 Prozent der Bewohner des Seniorenheims leiden an der Krankheit.Schleichend und schwer zu erkennen

Sie beginnt schleichend und ist anfänglich schwer zu erkennen. Sie kann viele Ursachen haben. Die endgültige Diagnose stellt der Neurologe. Viele Angehörige sind mit der Situation überfordert. Man brauche "unmenschliche Kräfte, jemanden 24 Stunden zu pflegen", kann sich Helmut Schuler, der Leiter der Paritätischen Sozialstation, in die Probleme hineinversetzen. Häufig fehlt den familiären Betreuern das Wissen, warum Mutter oder Vater so reagieren. "Viele glauben, die Eltern würden sie bewusst ärgern und empfinden das als persönlichen Angriff", berichtet Edith Kolasinski, Leiterin der Charlottenhöhe. Mit einem Netzwerk, das die Paritätische Sozialstation AHZ zusammen mit dem Seniorenheim aufbauen will, soll ein Entlastungsdienst aufgebaut werden. Ehrenamtliche Helfer sollen speziell im Umgang mit Demenzkranken geschult werden. Und da gibt es vieles zu lernen: von den Ursachen und Erscheinungsformen der Krankheit bis hin zu den Grundlagen der Pflegeversicherung. Im Mittelpunkt steht eine zentrale Frage: "Wie finde ich Zugang zu einem Demenzkranken?" "Ein solcher Patient kann nichts Neues mehr lernen", weiß Vera Schmidt von der Sozialstation AHZ Thalfang. Und deshalb mache es wenig Sinn, ihnen neue Hobbys wie Seidenmalerei nahe zu bringen. Demenzkranke können sich nur mit Tätigkeiten beschäftigen, die sie bereits kennen. Das heißt: Wer zeitlebens im Haushalt aktiv war, der kann mit mit dem Farbpinsel weniger anfangen als mit dem Kartoffelschälmesser. Am Anfang steht deshalb nicht nur für Vera Schmidt in jedem Fall - ob im Heim oder bei der häuslichen Pflege - eine so genannte "Biografie-Erhebung", um zu verstehen, wie man die Patienten wirklich erreichen kann.Schlüssel liegt in der Vergangenheit

Die Heimleiterin berichtet von einem Patienten, der aus unerfindlichen Gründen beim Mittagessen häufig getobt habe. Sie fand heraus, dass die Überreaktion von Möhren verursacht wurde. Ein Gespräch mit Angehörigen klärte das auf: Der Mann hatte als Kriegsgefangener lange Zeit nur verschimmelte Möhren und Kartoffeln zu essen bekommen und konnte sie nicht mehr sehen oder essen. Ein Lehrgang zum "Umgang mit Demenzkranken" soll an sieben Kursabenden vom 27. April viele Aspekte im Umgang mit der Erkrankung behandeln. Der pflegerische Teil wird einen Schwerpunkt einnehmen. Bestandteil der Schulung ist eine Hospitation in einer ambulanten oder stationären Einrichtung. Alle Schulungen finden von 18.30 bis 20 Uhr im Haus der Begegnung statt. Die Kosten betragen 20 Euro. Anmeldungen werden unter Telefon 06504/91340 angenommen. Das Angebot richtet sich vor allem an Interessierte aus der Einheitsgemeinde Morbach sowie den VGs Thalfang und Neumagen-Dhron.

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