Wenn der Dorfplatz zum Hörsaal wird

GRÄFENDHRON. Eine Woche Gründercamp im idyllischen Gräfendhron liegt hinter rund 20 Studierenden der Fachhochschule Gelsenkirchen und der Universität Duisburg-Essen. Teilnehmer und Veranstalter sind mehr als zufrieden mit den Ergebnissen. Gelobt wurde auch das für Großstädter ungewohnte dörfliche Rahmenprogramm.

"Sie kennen das Problem. Ihr Elefant hat zu starken Haarwuchs. Und kein Rasierer wird damit wirklich fertig." Ganz ernsthaft hält ein junger Mann mitten in Gräfendhron auf dem Dorfplatz einen Vortrag über ein angeblich neues Produkt, immer wieder unterbrochen von Lachsalven seiner Zuhörer. Es geht um den so genannten "Eli Shave", der sogar Windkanal getestet sei. Nein, hier übt kein Jung-Kabarettist für seinen Auftritt. Die Open-Air-Veranstaltung ist Bestandteil des ersten Gründercamps der Fachhochschule Gelsenkirchen in Gräfendhron.Einheimische gewinnen im Fußball mit 8:2

Karl Schäfer, Inhaber einer Personaltrainingsfirma in Köln, macht mit den Studenten Rhetorik, Körpersprache und Kreativitätstraining. Schäfer ist nur einer von einer ganzen Reihe von Profis, die Professor Gerd Wassenberg vom Institut zur Förderung von Innovation und Existenzgründung für das Camp verpflichtet hat. "Mit uns ist hier etwas passiert", stellt Ingo Rose, Student des Wirtschaftsingenieurwesens aus Duisburg, fest. Mit seinen Kommilitonen beschreibt er die ungewöhnliche Atmosphäre fern von Hörsälen und Seminarräumen. "Schuld" daran ist nicht zuletzt das Funkloch in Gräfendhron, ist Informatik-Absolvent Markus Bickmann überzeugt. Zwischen den Veranstaltungen in Gelsenkirchen würde jeder für sich SMS-Nachrichten lesen und versenden. Dass dies im Hunsrück nur unter erschwerten Bedingungen möglich war, habe das Verhältnis zwischen den Teilnehmern positiv verändert, glaubt auch die 26-jährige Journalismus-Studentin Jessica ten Have. Bis vor kurzem habe er sich kaum vorstellen können, selbst eine Firma zu gründen, doch jetzt stehe das Thema bei ihm ganz oben, erklärt Christian Engemann, Student des Wirtschafts-Ingenieurwesens aus Bocholt, warum er beim Gründercamp mit von der Partie ist. Gemeinsam mit weiteren Kommilitonen will er schon bald eine Firma gründen. Die jungen Leute arbeiten an einer neuen Vertriebsschiene im Modebereich. Mehr wollen sie nicht preisgeben. Denn noch sind sie mit ihrer Idee nicht am Markt. Anders ist das beim 31-jährigen Costja Adams aus Essen. Der Doktorand der Molekularmedizin arbeitet an Leitsubstanzen für die Therapie von Infektionen und Krebs. Seine Arbeit ist bereits patentgeschützt. Deshalb ist er weniger zurückhaltend. Er will seine Patente vermarkten. "Ich kann den Pharma-Firmen zeigen, so wird's gemacht", sagt er selbstbewusst. Mit den Ergebnissen der einwöchigen Veranstaltung sind Studenten wie Lehrpersonal mehr als zufrieden. "Wir werden das Gründercamp wiederholen", so Wassenberg. Natürlich wurde nicht nur gearbeitet. Von einer Fackelwanderung erzählten die Seminarteilnehmer ebenso begeistert wie von einer Weinprobe. Was Wassenberg besonders gefällt: "Die Gräfendhroner Bevölkerung zieht mit." Der Fußballplatz wurde eigens für eine Begegnung "Gräfendhron gegen Gelsenkirchen" präpariert. Die Einheimischen gewannen übrigens überlegen mit 8:2. Auch Barbara Krimm, Leiterin des Landhauses Gräfendhron, ist voll des Lobes über die Teilnehmer: "Es sind kluge und wache Menschen, das macht auch uns Spaß." Und nicht nur ihr. Ein älteres Ehepaar sitzt während der Open-Air-Veranstaltung vor dem Nachbarhaus. Hedwig und Wendelin Wirz genießen die herbstlichen Sonnenstrahlen - und die Stimmung nebenan: "Wir waren schließlich auch mal jung."

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