Wenn der Lotse in die Irre führt

Die modernen Navigationssysteme sind nicht immer ein Segen. In Morbach bereiten sie den Verantwortlichen Kopfzerbrechen, weil mancher LKW-Fahrer dank seines Elektronik-Lotsen das Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge mit mehr 3,5 Tonnen nicht beachtet.

Trotz eines Durchfahrtsverbots für Lastwagen sind mitten in Morbach häufig LKW zu finden, die eigentlich ein Ziel außerhalb des Ortskerns haben. Das sorgt für manchen Engpass innerorts, weil die "Brummis" wegen parkender Autos die Kurve nur schwer oder gar nicht kriegen. Oder weil dem Schwerverkehr die Luft ausgeht und Fahrer mit ihren Trucks an Steigungsstrecken hängen bleiben.So geschehen vor kurzem, als ein Lastwagen an der Hebegasse auf steiler Strecke nicht mehr weiterkam (der TV berichtete kurz). "An der Stelle braucht man eine gute Zugmaschine", weiß Hermann-Josef Decker, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion (PI) Morbach.

Nach Verkehrsschau Beschilderung verbessert

Doch nicht nur der Höhenunterschied macht die Straße zur besonderen Herausforderung. Wer von dort in die Hochwaldstraße will, muss am oberen Straßenende abbremsen, um durch einen "kleinen Stich" via Windstraße einzubiegen. "Ein paar PS" sind nach Auffassung von Decker an der Stelle zum Wiederanfahren vonnöten. Im genannten Fall halfen die eigenen Pferdestärken nicht weiter. Ein Landwirt musste dem manövrierunfähigen Fahrzeug "Starthilfe" geben. Der Zwischenfall blieb ohne Folgen. Ungefährlich ist die Situation dort dennoch nicht. Denn an der Hebegasse liegt auch die Grundschule Morbach.

Das Problem ist auch im Rathaus bekannt. Aus der Sicht von Bürgermeister Gregor Eibes hat es sich mit der Einführung von Navigationssystemen verschärft. So manches Fahrzeug sei lediglich mit einer Variante für PKW ausgestattet, der spezielle Regeln für Lastwagen nicht berücksichtige. Verstehen kann Eibes dennoch nicht, dass sich Fahrer komplett auf die elektronischen Lotsen verlassen. Denn schließlich müssen sie auch Verkehrsschilder beachten. Und wer beispielsweise zu den Industriebetrieben wolle, werde am Morbacher Kreisel über die Industriestraße geführt. Nach einer Verkehrsschau zu Jahresbeginn wurde die Beschilderung nach Angaben von Ordnungsamts-Chef Axel Schmitt nochmals verbessert. Unter anderem heißt es an mehreren Ortseinfahrten inzwischen nicht mehr "Anlieger frei", sondern "Lieferverkehr frei". Anlieger sei man ja bereits, wenn man sich ein Päckchen Zigaretten oder Brötchen im Ortskern kaufen wolle. Doch Schmitt glaubt, dass es keine optimale Lösung gibt: Denn trotz der Beschilderung Richtung Industriestraße riskiere ein Zulieferer von Firmen in der Industrie- oder Hochwaldstraße kein Knöllchen, wenn er den Wegweiser ignoriert. Denn auch er laufe unter "Lieferverkehr". Das sieht man auch bei der Polizei so. Hinzu komme, dass auch Firmen in der Ortsmitte per LKW beliefert werden müssten. Zwar könne man mit einer geänderten Beschilderung Abhilfe schaffen, in dem man alle Lastwagen - inklusive Lieferverkehr - zunächst über die Industriestraße führt. Dann aber würden Fahrten in den Ortskern erheblich länger. Das ist für Decker eine "Frage der Zumutbarkeit".

MEINUNG

Gegen Ignoranz hilft nichts

Das Problem ist ganz schön verzwickt. In den Morbacher Ortskern sollen nach Möglichkeit Lastwagen nur, wenn sie dort etwas anliefern oder abholen. Der Hinweis "Lieferverkehr frei" sollte das Problem lösen, möchte man meinen. Doch eine ganze Reihe von LKW-Fahrern fühlt sich von den Verkehrsschildern nicht angesprochen, wenn sie nämlich Industriebetriebe innerhalb Morbachs, aber außerhalb des Ortskerns anfahren wollen. Das "Ei des Kolumbus" ist nicht in Sicht. Den Ortskern für LKW komplett zu sperren, ist wegen der dortigen Geschäfte und Betriebe kaum denkbar. Der Vorschlag, keine Ausnahmen für Zulieferer zu machen, sondern den kompletten Schwerverkehr zunächst über die Industriestraße in den Ortskern zu führen, hat was. Er würde manche Gefahrensituation entschärfen. Im Gegenzug müssten andere Fahrzeuge mit dem Ziel Ortskern allerdings erhebliche Umwege in Kauf nehmen. Doch alle Vorschläge haben einen gravierenden Haken: Gegen Ignoranz helfen sie nicht. Dass "Brummi"-Fahrer sich unbeirrt von allen Verkehrsregelungen von ihrem Billig-Navigationsgerät in den Ortskern lotsen lassen, dagegen sind auch Behörden weitgehend machtlos. i.rosenschild@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort