Seit Jahrtausenden ursprünglich und trotzdem Kulturland: Land macht über 10.000 Hektar seines Staatsforstes zum Nationalpark

Birkenfeld/Thalfang · Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald soll 2015 eröffnet werden. Es ist das erste Projekt dieser Art in Rheinland-Pfalz. Fachleute erhoffen sich eine Belebung des Tourismus. Skeptiker befürchten Probleme für die Holzindustrie. Projektleiter Harald Egidi erklärt, warum der Nationalpark so bedeutsam ist und welche Effekte er bringt.

Es ist eines der ehrgeizigsten und umstrittensten Projekte der Landesregierung: Die Schaffung eines Nationalparks im Hunsrück. Nachdem das Projekt bereits seinen Weg durch die kommunalen Gremien gegangen ist, steht im Januar die Debatte und Abstimmung im Landtag in Mainz an. Dann wird aller Voraussicht nach die rot-grüne Mehrheit das Projekt beschließen. Die Eröffnung des Nationalparks ist für Pfingsten 2015 angesetzt.

Umsatzeinbrüche befürchtet: Widerstand gegen das Projekt gibt es unter anderem in der Einheitsgemeinde Morbach.
Dort befürchtet die ansässige Holzindustrie einen Rohstoffmangel und sinkende Umsätze. In der Region hatten sich sogar zwei Vereine gegründet: Der eine befürwortet den Nationalpark, der andere will ihn verhindern. Das Projekt selbst ist in Rheinland-Pfalz einzigartig. Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald wäre der 16. Nationalpark Deutschlands und der Erste in Rheinland-Pfalz. Seine Fläche wird sich vom südwestlichen Hunsrück in den Hochwald erstrecken. Die Flächen befinden sich im Eigentum der Länder Rheinland-Pfalz (9260 Hektar) und des Saarlandes (970 Hektar) - das ist etwa die Größe von 14.300 Fußballfeldern. Das Areal umfasst Flächen in den Landkreisen Birkenfeld, Bernkastel-Wittlich, Trier-Saarburg und St. Wendel. Wa besteht vornehmlich aus Waldgebiet und erstreckt sich vom Nordosten in den Südwesten.

Staatsvertrag verhandelt: Harald Egidi ist Projektleiter im Umweltministerium. Er leitet das Projekt von einem Büro bei der Birkenfelder Kreisverwaltung aus. "Das ist der erste Nationalpark, der von Anfang an in zwei Bundesländern geplant wird. Deshalb gibt es einen Staatsvertrag zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland", erklärt der ehemalige Forstamtsleiter. Die Eröffnung soll dann im Hunsrückhaus am Erbeskopf gefeiert werden.

Urzustand wieder herstellen: Egidi sagt: "Bei dem Projekt geht es, im Gegensatz zu den wesentlich größeren Nationalparks in den USA, darum, einen Naturzustand langfristig wieder herzustellen." Denn tatsächlich sei diese Landschaft schon seit Jahrtausenden Kulturlandschaft. Das bedeutet, dass der Mensch dort immer wieder etwas getan und damit die Landschaft verändert hat. So wurde vor der Industrialisierung in kleinen Kohlenmeilern an vielen Standorten Brennstoff für die Eisengewinnung- und Verhüttung hergestellt. Damit ging die Vernichtung von Buchenwäldern einher, die erst die Preußen mit der schnell wachsenden Fichte wieder aufgeforstet haben. Abdrücke der Bodenplatten dieser Meiler sind erst kürzlich bei einer speziellen Laser-Kartografierung des Geländes entdeckt worden, erzählt Egidi. Später wurde Stahl in großen Hüttenwerken erzeugt - wie in der Völklinger Hütte im benachbarten Saarland.

Das Gebiet war sogar schon in keltischer Zeit besiedelt, wovon noch heute der Ringwall in Otzenhausen zeugt. Trotzdem habe sich das Gebiet eine gewisse Ursprünglichkeit erhalten, weiß Egidi.

Einzigartiges Waldgebiet: Denn es war immer ein zusammenhängendes Waldgebiet - und das macht es in Rheinland-Pfalz einzigartig. "Das erkennt man schon auf der ersten erhaltenen Karte des Gebiets von 1591", sagt der Forstexperte. Die Bodenwelt sei seit Jahrhunderten erhalten geblieben. Der ursprüngliche Baumtyp der Region sei die Buche gewesen. Und nun ginge es darum, dass diese ursprünglichen Pflanzen sich ihren Naturraum wieder zurückerobern können. Die Voraussetzungen dazu schaffe der Nationalpark. Das Gebiet sei aber auch unter anderen Aspekten sehr geeignet. "15 Prozent der Fläche sind Moorstandorte, besonders bei Morbach. Das gibt es sonst nirgends in Rheinland-Pfalz", sagt Egidi.

Kontraste: Im Kontrast zu diesen Feuchtgebieten gebe es auch seltene Felsformationen von Allenbach bis Otzenhausen, in denen es warm und trocken ist. Das seien alles Alleinstellungsmerkmale und schaffe "eine enorme biologische Vielfalt." Nach und nach soll sich so wieder ein Naturzustand einstellen. Das sei ein Prozess, der Jahrzehnte lang dauern werde.
Extra: Zahlen und Fakten

Der tiefste Punkt der Nationalparks ist die Kirschweiler Brücke mit 380 Meter. Der höchste Punkt ist der Erbeskopf mit 816 Metern Höhe.
Die Jahresmitteltemperatur liegt bei 7-8 Grad Celsius.
Die mittleren Jahresniederschläge liegen zwischen 820-1100 mm. Der Fels-Quarzit, der dort vorhanden ist, stammt aus dem Erdzeitalter des Devon (vor circa 370 Millionen Jahren).
Derzeit liegt der Anteil an Laubbäumen bei 55 Prozent, wovon 48 Prozent die Buche die dominierende Baumart ist. Die restlichen 45 Prozent der Nadelbäume bestehen zu 37 Prozent aus Fichte. 24 Prozent aller Bäume sind über 120 Jahre alt.
Besonders Buchen können ein Alter von über 300 Jahren erreichen.
Als besondere Tierarten kommen die Wildkatze, der Schwarzstorch, Fledermäuse, Moorlibellen vor. Außergewöhnliche Pflanzen, die dort wachsen, sind die wilde Narzisse, seltene Orchideenarten und Arnika. hpl

Fragen & Antworten zum Nationalpark - Belebung des Tourismus, vielfältige Angebote

Im TV-Gespräch hat Harald Egidi die wesentlichen Fragen zum Nationalpark beantwortet. Eine Übersicht:

Was passiert 2015?
Der Nationalpark wird an Pfingsten im Hunsrückhaus bei Thalfang eröffnet. Dann sollen auch erste Ranger-Touren angeboten werden. Das Hunsrückhaus wird mit dem Schwerpunkt "Landschaft und Moore" eines der drei Tore zum Nationalpark sein. Weitere Tore sind in Wildenburg mit dem Schwerpunkt "Tiere" und in Otzenhausen am Ringwall mit dem Schwerpunkt "Kelten".

Darf man durch das Gebiet wandern?
Ja, es gibt ein freies Betretungsrecht. Der Park ist kein Sperrgebiet und es kostet auch keinen Eintritt, wie in manchen US-amerikanischen Parks. Das Gebiet ist auch nicht umzäunt. Für Schulen und Privatleute werden speziell ausgebildete Ranger geführte Wanderungen anbieten.

Darf man Brennholz schlagen?
Es gibt ein Konzept für die einzelnen Dörfer. Holz soll aus umliegenden Wirtschaftswäldern geschlagen werden. Wenn das nicht reicht, sollen Zonen im Nationalpark für eine nachhaltige Versorgung reserviert werden.
Wie werden die Sägewerke weiter versorgt?
Derzeit laufen Gespräche mit den Betrieben in Morbach. Es gibt eine 30 Jahre lange Übergangszeit. Egidi: "Es ist nicht unser Ansinnen, die Betriebe zu schwächen."

Gibt es zusätzliche Arbeitsplätze?
Im Nationalpark werden Forstwirte im Landesdienst mit der Zusatzqualifikation "Ranger" abgestellt. Außerdem werden drei neue Stellen geschaffen, darunter eine für Öffentlichkeitsarbeit.
Wie wirkt sich der Nationalpark auf den Tourismus aus?
Nach einer Studie sollen in den nächsten 20 Jahren 100.000 zusätzliche Besucher in die Region kommen. In der Diskussion sind auch Fördergelder für kleine Pensionen. Bislang lag die Bemessungsgrundlage bei 20 Betten. Diese Zahl soll heruntergesetzt werden, damit auch Privatleute in der Lage sind, Zimmer wie beim englischen "Bed & Breakfast" zu vermieten. hpl
Für Kinder

Ein Nationalpark ist ein größeres Gebiet, in dem die Natur sich wieder so entwickeln soll, wie sie früher einmal war. Das wird mit Vorschriften und Gesetzen geregelt. Natürlich darf man auch durch den Nationalpark wandern und ihn sich anschauen. Aber man darf zum Beispiel keine Pflanzen abpflücken oder Feuer im Wald machen, denn die Natur soll möglichst unberührt bleiben, damit sie sich selbst weiter entwickeln kann. In Deutschland gibt es schon einige Nationalparks, so zum Beispiel in Sachsen oder im bayerischen Wald. Dieser Nationalpark wäre der erste im Bundesland Rheinland-Pfalz.hpl

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