Mit 70 fängt das Leben erst an

Heidenburg · Was viele Hunsrücker gar nicht wissen: Aus dem beschaulichen Heidenburg stammt eine kleine Berühmtheit, die viel gereist ist - der weltälteste Renn- und Wanderradfahrer, Heinrich Werner.

 Passionierter Radfahrer: Heinrich Werner aus Heidenburg lernte erst mit 70 Jahren Radfahren und wurde „Ältester Renn- und Wanderfahrer der Welt“. Foto: privat

Passionierter Radfahrer: Heinrich Werner aus Heidenburg lernte erst mit 70 Jahren Radfahren und wurde „Ältester Renn- und Wanderfahrer der Welt“. Foto: privat

Heidenburg. Wer kann sich vorstellen, dass jemand, der sich eigentlich schon zur Ruhe gesetzt hat, mit 70 Jahren noch das Radfahren lernt und anschließend mit seinem Fahrrad den halben Kontinent bereist? Bei Heinrich Werner aus Heidenburg, der von 1846 bis 1937 lebte, war genau dies der Fall.

Nachdem er nach dem Ersten Weltkrieg seinen Beruf aufgegeben hatte, entschied er sich im Alter von 70 Jahren noch, das Fahrradfahren zu lernen. Was er danach leistete, hat mit normalem Fahrradfahren jedoch nicht viel zu tun.

Heinrich Werner war von diesem Zeitpunkt an jedes Jahr vom Frühjahr bis in den Spätherbst in fast ganz Europa mit seinem Fahrrad unterwegs. Zahlreiche Altersrennen lockten ihn - von denen er die meisten auch gewann.

Die Vorgeschichte: Heinrich Werner wurde am 6. Februar 1846 in Heidenburg geboren und ging auch dort zur Schule. Nach seiner Schulzeit erlernte er das Schmiedehandwerk und arbeitete in der Landwirtschaft. Er absolvierte seinen Militärdienst, diente ab 1867 als Soldat und wurde im Krieg 1870 invalide. Bis zu seiner Frühpensionierung im Jahr 1892 arbeitete er bei der Eisenbahn als Wagenmeister.

Doch Ruhestand bedeutete für Heinrich Werner keineswegs, sich zur Ruhe zu setzen und nichts mehr zu tun. Also gründete er 1892 in Trier ein erfolgreiches Hoch- und Tiefbauunternehmen, das unter anderem das Hotel "Römischer Kaiser" am Hauptbahnhof baute. Nach dieser äußerst erfolgreichen beruflichen Laufbahn begann erst seine zweite Karriere - die als Radsportler, und das mit 70 Jahren. Bezüglich der Ausdauer konnte er es noch mit manchem jungen Sportkollegen aufnehmen. Seinen ersten Preis erhielt er 1927 mit 81 Jahren im Alters-Rennfahren in Kröv. Im Sommer 1927 unternahm er die Wanderfahrten Cochem-Köln und Trier-Koblenz. Radtouren durch Deutschland, Holland und Italien folgten. Die Leidenschaft zum Radsport bescherte ihm viele schöne Momente. So lernte er hohe Prominenz kennen. Sogar der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg empfing ihn, als Werner Station in Berlin machte. Nach Aachen wurde er zum Heimatfest eingeladen, wo ihn der Oberbürgermeister willkommen hieß.

Von dort aus besuchte er viele niederländische Städte und fuhr zurück in seine Heimat. Diese Reise dauerte etwa vier Wochen. Im Januar 1930 ging es für den Heidenburger auf nach Italien - natürlich mit dem Fahrrad. Vor 5000 Zuschauern fuhr er in Basel auf der Winterrennbahn eine Ehrenrunde. In Rom angekommen, erwartete ihn schließlich eine Audienz beim Papst. Auch von vielen Staatsoberhäuptern in West- und Osteuropa wurde er empfangen. Bis 1935 war Heinrich Werner der älteste Radfahrer Europas. Nachdem Amerikas ältester Radfahrer starb, wurde ihm der Titel "Ältester Renn- und Wanderfahrer der Welt" verliehen, den ihm bis heute niemand streitig gemacht hat. Die Weltausstellung in Paris im Jahre 1937 rief, und Henrich Werner radelte hin, mit über 90 Jahren. Vor Ort fand er jedoch kein Zimmer und musste im Freien übernachten. Deshalb kam er mit über 40 Grad Fieber nach Hause. Drei Tage nach seiner Rückkehr starb er am 5. November 1937 im Alter von 91 Jahren im Brüderkrankenhaus in Trier.

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