Welches Wir, Herr Reitz?

Die Äußerungen im offenen Brief von Herr Reitz haben mich mit Verlaub seltsam berührt. Da schreibt ein Mann, den ich bislang sehr schätzte und dessen Heimat-Trilogie ich als recht gelungen empfand, einen "Offenen Brief", den er zumindest ein wenig besser hätte überlegen sollen.

Was will der Wahlmünchener denn mit der Aussage "Mit Entsetzen habe ich vernommen, dass es diese Nazi-Gruppierung in Gonzerath gibt…." vermitteln? Entsetzt es ihn, dass es die Nationaldemokraten in Gonzerath gibt? Wenn es diese Partei (es ist keine Gruppierung) in München, Hamburg oder Schwerin gibt, ist Herr Reitz dann auch entsetzt? Oder ist es dann egal? Überhaupt grenzen die letzten zwei Abschnitte durchaus an einer Heimattümelei, die ich als peinlich empfinde. "Wir Hunsrücker sind offenherzig, neugierig und umgänglich…". Kann man so etwas in die Welt setzen, ohne dass es banal wirkt? "Wir halten nichts von dummen Sprüchen." Dieses "Wir"; wer ist damit gemeint? Hat Herr Reitz sich je mit "Hunsrückern" unterhalten? Und wenn ja, in welchen Kreisen bewegte er sich dann? Mein lieber Herr Reitz, kommen Sie auf dem Boden der Tatsachen an. Hunsrücker sind auch nur Menschen, und da gibt es solche und andere. Dieses "Wir", von dem Sie vielleicht träumen, gibt es nicht. Ich jedenfalls habe misstrauische, verschlagene und rassistische Menschen in der Region Hunsrück erlebt. An Stammtischen, auf dem Markt und in politischen Zusammenhängen wurden rechte Phrasen gedroschen, dass mir Angst und Bange wurde. Natürlich gibt es auch die anderen Hunsrücker, mit denen ich mich auch in emanzipatorischen Fragen gut verstehe. Aber dieses "Wir", das Sie bemühen, ist für mich höchst bedenklich. Das schlimmste "Wir", das ich kenne, war das einig Volk und Vaterland im Nationalsozialismus und das wollen Sie doch sicher auch nicht. Lassen Sie das Wir, welches letztlich die Unterschiede nur vernebelt, und appellieren Sie an die Menschen überall, dass sie rechten Tendenzen überall (eben nicht nur bei den National-Demokraten) in welchem Land und welcher Region auch immer entgegen wirken sollen. Gerhard Kern, Morbach

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