Bei Unfällen spielt die Herkunft keine Rolle

Trier/Schweich/Konz · Egal ob Deutscher oder Geflüchteter: Verursacht jemand, der weder Geld noch eine Versicherung hat, einen Unfall, bleibt der Geschädigte auf den Kosten sitzen. So erging es Andreas S. aus Schweich. Eine TV-Recherche ergibt, dass es nicht unbedingt so sein muss.

 Wer kommt nach einem Unfall für den Schaden auf, wenn einer der Verursacher keine Haftpflichtversicherung hat? Die Antwort ist für einen Autobesitzer aus Schweich nach einer von einem Radfahrer verursachten Kollison unbefriedigend ausgefallen. Foto: dpa

Wer kommt nach einem Unfall für den Schaden auf, wenn einer der Verursacher keine Haftpflichtversicherung hat? Die Antwort ist für einen Autobesitzer aus Schweich nach einer von einem Radfahrer verursachten Kollison unbefriedigend ausgefallen. Foto: dpa

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Trier/Schweich/Konz. Andreas S. hat ein Problem. Er muss einen Schaden selber tragen, den ein fahrradfahrender Asylbewerber an seinem Auto verursacht hat. Der Fall selbst liegt länger zurück, doch als der Schweicher den Artikel über den ersten Fahrradkurs für Asylbewerber im Kreis Trier-Saarburg in Konz im Trierischen Volksfreund gelesen hat, hat er sich bei der Redaktion gemeldet (Erst in Damaskus, jetzt auf dem Moselradweg", TV vom 10. Mai): Er habe nichts gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik oder gegen Asylbewerber, sagt Andreas S. Er frage sich aber, wie das mit der Versicherung bei Flüchtlingen aussehe. Er gehe davon aus, dass, obwohl Hunderte von ihnen mit Rädern am Straßenverkehr in der Region Trier teilnehmen, die meisten nicht versichert seien.

Der Unfall: Sein Bruder habe Ende November Andreas S. Auto geliehen, sagt der Schweicher. In der Trierer Güterstraße sei es zu einem Unfall mit einem Radfahrer gekommen. Der Mann, ein Asylbewerber, habe beim Linksabbiegen vergessen, den Gegenverkehr durchzulassen, beschreibt der Schweicher den Unfallhergang. Der Radfahrer, der nicht schwer verletzt worden sei, sei auf das Auto geschleudert worden. Ein Scheinwerfer, die Stoßstange sowie die Motorhaube, die Windschutzscheibe und das Dach seien beschädigt worden. Die Schadenssumme von 4800 Euro musste Andreas S. selbst tragen. Der Radfahrer hatte keine Haftpflichtversicherung.

Die Recherche: Die Situation nach einem solchen Unfall ist eigentlich einfach: Die Herkunft desjenigen, der einen Schaden verursacht, spielt keine Rolle. Wie viele der 214 Fahrradunfälle in der Stadt Trier und im Kreis Trier-Saarburg im Jahr 2015 von Flüchtlingen verursacht wurden, hat die Polizei deshalb auch nicht erfasst. Egal, ob es sich aber um einen Flüchtling oder einen Deutschen handelt, zahlt in solchen Fällen der Verursacher - wenn er kann. Hat er eine private Haftpflichtversicherung, übernimmt diese den Schaden. Das Abschließen einer solchen Versicherung ist jedoch freiwillig. Amtliche Statistiken über die Anzahl der Versicherten werden nicht regelmäßig geführt. Das bestätigen die Trier-Saarburger Kreisverwaltung, das Landes- und das Bundessozialministerium auf TV-Anfrage.

Die Versicherer: Erst eine Anfrage beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bringt mehr Klarheit: In Deutschland seien rund 15 Prozent aller Haushalte nicht privat haftpflichtversichert, sagt Verbandssprecherin Kathrin Jarosch. Die einzige Statistik über Haftpflichtversicherungen hat der GDV 2013 zusammen mit dem statistischen Bundesamt ermittelt. Aus ihr geht hervor, dass der Abschluss einer Haftpflichtversicherung einkommensabhängig ist. Demnach haben im Bundeschnitt 85 Prozent der Haushalte eine Haftpflichtversicherung, bei Arbeitslosen sind es nur 61 Prozent. In Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 1100 Euro sind es 65 Prozent. Asylbewerber spielen in dieser Statistik keine Rolle. Doch auch die meisten Flüchtlinge gehören zu den einkommensschwächsten Gruppen. Ihnen stehen monatlich knapp 400 Euro zur Verfügung. Wie bei Hartz-IV-Empfängern wird ihnen zusätzlich Wohngeld erstattet.

Die Caritas:
"Die Bereitschaft, Haftpflichtversicherungen abzuschließen, ist schon da", sagt Matthias Hommerding, Leiter der Stelle Flucht und Asyl beim Caritasverband Trier. "Wir bringen den Leuten die Vorteile von Haftpflichtversicherungen nahe", führt Hommerding weiter aus. Zahlen, wie hoch der Anteil von versicherten Asylbewerbern ist, könne aber auch er nicht liefern.

Der Tipp: GDV-Sprecherin Jarosch hat hingegen einen Tipp parat: Es gebe eine Möglichkeit, dass ein Schaden ersetzt werde, wenn der Schadenverursacher keine Privathaftpflichtversicherung habe und zahlungsunfähig sei: eine sogenannte Forderungsausfalldeckung. Diese Klausel ist ein Bestandtteil vieler Versicherungsverträge. Sie besagt, dass die Haftpflichtversicherung des Geschädigten selbst den Schaden übernimmt, wenn der Verursacher nicht dafür aufkommen kann.Extra

Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gibt es eine Möglichkeit, eine Gruppenhaftplichtversicherung oder sogar eine kommunale Haftpflichtversicherung abzuschließen. Thomas Müller, Pressesprecher der Trier-Saarburger Kreisverwaltung, bestätigt auf TV-Anfrage, dass Anfang 2016 solche Gruppenhaftpflichtversicherungen für Asylbewerber angeboten worden seien. Der Kreis hätte dann die zahlen müssen. Der Landkreistag Rheinland-Pfalz habe Ende Januar empfohlen, keine solchen Gruppenhaftpflichtversicherungen abzuschließen, "da die öffentliche Hand aus Steuermitteln bisher für niemanden Haftpflichtversicherungen abschließt", sagt Müller. "Bei den aktuell rund 1500 Asylbewerbern im Landkreis hätte dies Ausgaben von jährlich rund 30 000 Euro für den Landkreis zur Folge." Zudem seien das An- und Abmelden von Asylbewerbern mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Deshalb sei der Kreis Trier-Saarburg der Empfehlung seines kommunalen Spitzenverbandes gefolgt. cmk

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