Briefkasten wechsel' dich

Die Deutsche Post wirbelt in Wasserliesch: Ohne Kenntnis des Ortsbürgermeisters Herbert Rausch hat sie den Briefkasten in der Hauptstraße abgebaut, der Standort am Marktplatz wird indes "beobachtet", und bezüglich des neuen Kastens in der Sabatierstraße zweifelt Rausch: "Der wird nicht angenommen."

Wasserliesch. "Das ist doch verrückt", ärgert sich Herbert Rausch, Ortsbürgermeister von Wasserliesch. Den Anlass für seine Aufregung liefert ihm die Deutsche Post. Denn vor wenigen Tagen sei der Briefkasten in der Hauptstraße verschwunden. Der Kasten ist dabei nicht etwa einem Diebstahl zum Opfer gefallen. Nein, die Post selbst hatte für die Demontage gesorgt - zur Überraschung aller Wasserliescher.Versäumnisse eingestanden

"Viele Bürger haben sich bereits an mich gewandt und ihrem Unmut Luft gemacht. Wie ich denn sowas zulassen könne", erzählt Rausch. Als direkte Reaktion auf solche Vorwürfe kann er nur mit den Schultern zucken und entgegnen: "Ich wusste nichts von dieser Aktion." Und die Deutsche Post gibt auf TV-Anfrage zu: "Ja, da haben wir einen Fehler gemacht." Pressesprecher Heinz-Jürgen Thomeczek erklärt: "Normalerweise schreiben wir vorher dem Bürgermeister und geben eine Pressemitteilung heraus, um die Bürger zu informieren. Das ist in diesem Fall nicht passiert." Inzwischen habe man sich allerdings mit dem Bürgermeister in Verbindung gesetzt. Rausch dazu: "Ich habe mal bei der Post angerufen und wenig später einen Rückruf aus Frankfurt erhalten. Man werde die Angelegenheit prüfen." Aus dem Munde des Pressesprechers hört sich das dem TV gegenüber so an: "Wir werden beobachten, wie stark der Briefkasten am Marktplatz frequentiert wird." Sollte das Ergebnis nicht zufriedenstellend ausfallen, werde man den Briefkasten dort ab- und in der Hauptstraße wieder aufbauen. Wieviel Post ein Briefkasten zum Überleben braucht, wollte Thomeczek indes nicht verraten. "Man kann so nicht verfahren", ärgert sich Rausch. Die Post dagegen argumentiert: "Wir müssen alle Gemeinden bundesweit gleich behandeln." Und das heiße für die knapp 2400 Einwohner starke Gemeinde Wasserliesch: zwei Briefkästen - am Marktplatz und jetzt auch am "Post Point" in der Sabatierstraße. "Und am Hagebaumarkt gibt es auch noch einen", ergänzt Rausch.Dass der Hauptstraßen-Kasten nun offenbar zur Postfiliale verlegt wurde, klingt für den Ortsbürgermeister nicht einleuchtend: "Dieser ,Post Point' liegt mitten im Industriegebiet und wird von der Wasserliescher Bevölkerung gar nicht angenommen." Zudem fehle nun besonders älteren Menschen, die nicht mehr so weit laufen könnten, ein Briefkasten an der Hauptstraße. Die Post hat für dieses Problem schon eine Lösung parat: Der Postbote könne bei der Zustellung auch Briefe aus den Haushalten wieder mitnehmen. "Das ist doch schon vor allem in ländlichen Regionen gang und gäbe", weiß Thomeczek und bietet Rausch damit eine Alternative an, "mit der man sich arrangieren könnte". Doch nichts desto trotz hofft Rausch weiter: "Da wird noch was passieren." Meinung Das Gespräch suchen Damals war alles anders. Da hatte jedes Dorf noch seine eigene kleine Post-Filiale. Ein Ort, wo es nicht nur darum ging, seinen Brief oder sein Paket abzugeben. Es ging vielmehr um Kommunikation, ähnlich wie beim Frisör. Wenn man von der Post kam, wusste man gleich, was es Neues im Dorf oder im Stadtteil gab. Heutzutage kann man seine Postgeschäfte oft nur noch hopplahopp zwischen Konserven und Tiefkühlpizzen, zwischen Autoreifen und Ölkanistern erledigen. Gerade diejenigen, die das kommunikative Miteinander im Dorf gewohnt sind, vermissen die alten Zeiten. Wenn dann auch noch quasi von einer Zentrale wie in Frankfurt entschieden wird, wo welcher Briefkasten stehen soll, und das ohne Absprache mit den Betroffenen umgesetzt wird, schürt das nur den Unmut gegenüber dem gelben Riesen. Dem könnte man entgegenwirken, indem man frühzeitig mit denjenigen spricht, die sich am Ort des Geschehens auskennen und wissen, wo es weniger weh tut, wenn morgens auf einmal der gelbe Kasten fehlt. a.pipke@volksfreund.de

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