Junger Wein auf Millionen Jahre altem Boden

NITTEL. Was in Frankreich als hohe Kunst des Weinmachens gilt, wird hier zu Lande gelegentlich verächtlich als der letzte Versuch bezeichnet, aus Restbeständen noch irgendetwas Trinkbares zurechtzumixen. Gemeint ist die Cuvée. Gegen diesen Aberglauben sind vier junge Nitteler Winzer und eine Winzerin, die ehemalige Weinkönigin Carina Dostert, angetreten: mit ihrem "Sunshine 2005", der Cuvée der Jungwinzer der südlichen Wein-Mosel.

Die Idee kam den Jungwinzern und Betriebsnachfolgern bei einer Fortbildungsfahrt nach Frankreich. Zu vorgerückter Stunde berieten sie, wie sie dem Moselwein zu mehr Ansehen vor allem bei der jüngeren Generation verhelfen könnten, und zwar gemeinsam. Eine allgemeine Werbeaktion schied von vornherein aus, sie wollten etwas Besonderes. Ein gemeinsam hergestelltes Produkt sollte sozusagen das Aushängeschild für den Wein einer ganzen Region sein. Tagelang wurde gemischt und verkostet

Die Idee geriet, wie so viele Ideen, zunächst in Vergessenheit. "Aber einige von uns", sagt Thomas Sonntag, mit 38 Jahren nach eigener Auskunft der "weitaus Älteste", "haben immer wieder nachgebohrt." Mit Erfolg. Fünf gingen das Wagnis ein. Ausgehend von der Grundüberlegung, dass jede Traubensorte ihre Stärken und Schwächen hat, brachte jeder von ihnen mehrere unterschiedliche Weine mit; es war ein Querschnitt durch die typischen Moselsorten Elbling, Rivaner, Riesling, Weißburgunder und eine Spur Kerner. Einige Tage lang mischten und kosteten sie, bis sie der Überzeugung waren, die Schwächen der einen Sorte durch die Stärken einer anderen Rebe kompensiert zu haben. Mit dem Ergebnis, dem "Sunshine 2005", waren (und sind) Carina Dostert, Thomas Sonntag, Michael Fürst (25), Patrick Zilliken (26) und Matthias Apel (22) zufrieden - und diejenigen, die den "Sonnenschein" bereits genießen durften, sind es auch. Thomas Sonntag: "Die Resonanz, die unser Auftritt auf dem Trierer Bauernmarkt hatte, war über Erwarten positiv." Die Jungwinzer der südlichen Weinmosel hatten also den Geschmack des jungen und des älteren Publikums getroffen - mit einem Wein, der das Typische seiner Provenienz widerspiegelt: gewachsen auf dem bis 260 Millionen Jahre alten Muschelkalkboden, den das urzeitliche Meer des Pariser Beckens hinterlassen hat und der den Wein von heute noch immer prägt.Neuer Wein, neues Etikett

Das Experiment, mit dem (unter anderem) eine neue Zielgruppe angesprochen werden sollte, ist, laut Auskunft seiner "Väter" und der ebenso beteiligten Weinkönigin Carina Dostert, also geglückt. Zum neuen, jungen Wein gehört auch ein neues, ungewöhnliches Etikett; es präsentiert sich in frischen Regenbogenfarben und spricht vor allem junge Wein-Genießer an und solche, die es werden wollen. Die Initiatoren des "Sunshine 2005" wollen sich mit dem bisher Geleisteten aber nicht zufrieden geben. Sie wissen am besten, dass Wein ein lebendiges, von vielen (Wetter-) Zufällen abhängiges Produkt ist. Das bedeutet, dass sie ihre Cuvée jedes Jahr neu "erfinden" müssen. Dem trockenen Weißwein das Jahrgangs 2005 soll demnächst ein Rotwein folgen. "Wir arbeiten gemeinsam daran", heißt es in dem kleinen Kreis, der genau weiß, dass gemeinsames Streben Stärke bedeutet. Übrigens: Die Franzosen sprechen nicht von "Cuvée", sondern von "Mariage", einer Hochzeit also. Und die soll, jeder möglichen und selbstverständlich unbegründeten Skepsis zum Trotz, ja durchaus etwas Positives sein.

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