Kultur ist etwas für jedermann

Kultur ist nicht nur etwas für die "Großkopferten" und den offiziellen Kulturbetrieb. Kultur ist etwas für jedermann. Das haben der Luxemburger Carlo Sunnen und seine Ehefrau Grit Molitor auf originelle und sicherlich nicht immer ganz ungefährliche Art bewiesen.

Wormeldingen/Grevenmacher. Der Auftritt des der Philosophie verbundenen 63-jährigen Lehrers Carlo Sunnen und der Sprachlehrerin Grit Molitor ist mit dezenter Duftreminiszenz an "Trabi" oder "Wartburg" verbunden. Verantwortlich dafür ist ein winziger vor sich hin brabbelnder Evinrude-Außenborder am Heck ihres knallroten "Zodiac"-Gummiboots. Ganze vier Pferdestärken liefert der Zweitakt-Winzling an den Propeller, gerade so viel, dass der Schleppverband aus Schlauchboot und angehängtem Floß, unterstützt von der zurzeit kräftigen Moselströmung, sich verhältnismäßig flott zu Tal bewegt. Die Bergfahrt gerät eher zu einem Stop-and-go-Abenteuer, vor allem dann, wenn ein 1500-Tonnen-Frachter durch den Strom pflügt.

Erinnerung an vergessene Traditionen

Aber zu Berg wollen Carlo Sunnen und Ehefrau Grit Molitor auch gar nicht. Ihre Flussreise mit dem seltsam-abenteuerlichen Gefährt begann in Wormeldingen und endete am Ufer von Machtum. Auf den wenigen zurückgelegten Stromkilometern präsentierten die beiden ihren privaten Beitrag zum Ereignis "Kulturhauptstadt" - mit der Aufforderung, sich längst in Vergessenheit geratener Traditionen der Region zu erinnern.

Das selbst gebaute Floß aus vier mit Balken verbundenen Fässern symbolisiert die 600 Jahre lang betriebene Flößerei auf Mosel, Saar, Our und Sauer und erinnert an den später entstandenen Brauch der Küfer aus Vianden und Umgebung, ihre Fässer einfach ins Wasser zu werfen und sie von den Flüssen zu Tal treiben zu lassen, damit Trierer Weinhändler sie bei Trier bergen und einsammeln konnten.

Am Anfang war es nur eine Idee

Das beim Floßbau verwendete Langholz soll die allgemeine Flößerei symbolisieren. Fünf in einem offenen, auf dem Floß befestigten Kästchen stehende, verschlossene Dosen enthalten Erde aus fünf Regionen: Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg, Wallonien und Lothringen.

Carlo Sunnen nennt weder seinen kleinen Schleppverband noch die Aktion als Ganzes ein - was immer auch darunter zu verstehen sein mag - "Gesamtkunstwerk". Für ihn und Grit Molitor war es zunächst nur eine Idee, die von Ende Februar bis zum 15. Juli realisiert worden ist. "Das ist unser Beitrag auf ganz privater Basis", sagt er.

Vor knapp einem halben Jahrhundert hätte man Carlos und Grits Aktion, wenn überhaupt, als eines jener damals in Mode kommenden "Happenings" lächelnd oder belächelnd zur Kenntnis genommen.

Heute ist sie ein wenig Nostalgie, und - ein Stück stromauf - erinnert der nächste 1500-Tonnen-Frachter daran, dass mit der beschaulichen Flößerei heute kein Staat, will sagen: Gewinn, mehr zu machen ist.

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