Mediterrane Liederträume

So gut besetzt ist das Kloster Karthaus nicht alle Tage: Rund 200 Zuschauer kamen zur Premiere der "Mediterranen Liederträume" des Tenors Gor Arsenian, der bis Mitte des Jahres dem Trierer Theater-Ensemble angehörte. Dabei lohnte sich vor allem die Begegnung mit den unbekannten Seiten des armenischen Sängers.

Konz. (DiL) Ein bunt gemischtes Publikum: kulturbeflissene Stammbesucher der Kloster-Konzerte, viele Theater-Leute und ein beachtlicher landsmannschaftlicher Anteil sorgten dafür, dass zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten. Arsenians langjähriger Kollege Laszlo Lukacs führte mit launigen Anekdoten unterhaltsam durchs Programm, das ein breites musikalisches Spektrum bot - und durchaus mit Überraschungen aufwartete.

So eröffnete der im Theater eher für dramatische tenorale Töne zuständige Sänger den Abend mit einer einfühlsam gesungenen Barock-Arie von Alessandro Stradella und dokumentierte im späteren Verlauf mit Bizets lyrischer Perlenfischer-Arie "Je crois entendre encore" sehr eindrucksvoll, dass er auch anders als mit Vollgas singen kann.

Nicht alles war an diesem vom Publikum mit großer Sympathie aufgenommenen Abend so geschmackssicher. Massenets zarte Werther-Arie "Porquoi me réveiller" zerbarst im Dauerforte, Bachs filigran-inniges "Ave Maria" klang wie ein neapolitanisches Fischerlied. Und Rossinis "Tarantella" war zwar atemberaubend schnell und laut gesungen, erreichte freilich die vom Komponisten vorgesehenen Notenwerte allenfalls annäherungsweise.

Nach der Pause offenbarte sich dann wieder ein ganz anderer Gor Arsenian, mit einem Volkslied und einer Opernarie aus seiner armenischen Heimat. Was für eine Verwandlung: Der Sänger fing sensibel und berührend die feine Melancholie eines Kranich-Fluges ein, um gleich anschließend eine überschwängliche Hommage an den armenischen Volkssänger und Komponisten Sayat Nova aus der gleichnamigen Oper anzustimmen. Da findet Arsenian zu differenzierten Ausdrucksformen, auch Sprache und Phrasierung stimmen. Und man ahnt einen Moment, was aus diesem Sänger und seinem stimmlichen Potenzial hätte werden können, wenn er gelernt hätte, seine Möglichkeiten präziser einzusetzen.

Noch eine Entdeckung bot der Abend: Die feinfühlige Klavier-Begleitung von Ketevan Ruchadze. Nicht nur, dass sie Arsenians gelegentliche Eigenwilligkeiten bei Tempo und Intonation geschickt korrigierte, sie begeisterte auch mit einem wunderbar sanften Anschlag und gutem Sensus für die Stimmung der Kompositionen. Ihre Solo-Ausflüge mit Bach, Schubert und Chatschaturian könnten sogar etwas weniger Zurückhaltung gebrauchen. Am Ende reichlich Beifall - sicher auch eine Starthilfe für Arsenian in die ungewisse Zeit nach dem festen Engagement.

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