Mehr als nur Sachschaden

OBERBILLIG. Eineinhalb Jahrhunderte hat die kleine Rochuskapelle oberhalb von Oberbillig überstanden, ohne – von den Kriegszerstörungen einmal abgesehen – Schaden zu erleiden. Dafür sorgten vor einigen Wochen Unbekannte, die die Tür eintraten und Heiligenfiguren zerstörten oder erheblich beschädigten. Derzeit wird das Kapellchen vom Heimatverein wieder hergerichtet.

Die Vandalen wurden nicht ermittelt; die Rochuskapelle liegt ein Stück außerhalb des Orts hoch über Oberbillig in der Nähe eines Grillplatzes. Zeugen haben sich bislang nicht gemeldet. Die Schäden sind deutlich sichtbar. Die doppelflügelige Tür ist eingetreten worden. Die Scherben der Figuren sind eingesammelt worden. Sie werden von Hedwig Breser verwahrt. Hedwig Breser, die bald 85 Jahre alt wird, hat die Kapelle, deren Bau mit ihrer Familiengeschichte zusammenhängt, in den vergangenen 50 Jahren betreut, selbstverständlich unentgeltlich. "Ab und zu haben mal ein paar Markstücke und nachher auch Euro-Münzen im Kapellchen gelegen. Die habe ich für Blumen und Kerzen ausgegeben", sagt sie. Als ihr Mann noch lebte, hat er sie mit dem Auto auf den Berg gefahren, nach seinem Tod wurden ihre Besuche seltener: "Den weiten Weg schaffe ich nicht mehr." Umso mehr hat sie das Ergebnis der Zerstörungswut der Unbekannten erschüttert. "Wer tut so etwas?", fragt sie, ohne eine Antwort zu erwarten. Ob es ein paar Münzen waren, die die Vandalen angelockt haben? Oder war es die Enttäuschung von Kunsträubern, die, einmal in das Kapellchen eingedrungen, schnell feststellen mussten, dass die Figuren kaum zu "vermarkten" waren, weil sie ihren Wert aus der Gläubigkeit der Kapellen-Besucher bezogen? Über den Erbauer der Kapelle gibt es keine schriftlichen Aufzeichnungen. Die Überlieferung verliert sich irgendwann in der Familiengeschichte. Gesichert ist nur, dass sie 1848, wie auf einer Sandsteintafel an der Stirnwand festgehalten, oder 1849, wie vage zurückgerechnet werden kann, errichtet worden ist. Die Tafel verkündet in unbeholfenem Deutsch: "Errigtenlasendurgvoldatterausoberbilligimjahr1848". Kenner der Ortsgeschichte verbinden den Kapellenbau mit der Cholera-Epidemie, die 1849 viele Oberbilliger dahinraffte. Sie soll Zeichen der flehentlichen Bitten um Hilfe an den Heiligen Rochus sein. Möglich und wahrscheinlicher auch, dass die Kapelle, wie aus der Inschrift hervorgeht, aus Dankbarkeit errichtet wurde und man sich bei der Jahresangabe geirrt hat. Der Heimat- und Verkehrsverein richtet derzeit die Rochuskapelle, die gelegentlich auch ein Ort war, wo Messen gefeiert wurden, wieder her. Er will die nach dem Kriegsende eingezogene einfache hölzerne Decke entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herstellen, der Ortgang (Dachüberstand) soll verschwinden und die Giebelwand wieder mit einem steinernen Kreuz geschmückt werden. Außerdem sollen die hoch aufgeschossenen Thujas, welche die Kapelle verstecken, verschwinden und durch heimische Bäume ersetzt werden. Viel Arbeit noch, die auf die Aktiven des Heimat- und Verkehrsvereins zukommt - und Kosten. Erste Spenden sind bereits eingegangen, und ein Antrag auf öffentliche Hilfen liegt in Mainz.

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