"Mer kammich jo fro’en, wat dat eijentlich hähcht"

KANZEM. Es war, wie man so sagt, "ein gelungener Abend", den Hans Greis und Erwin Otto zur Vorstellung der 30. Ausgabe des "literamus" im stimmungsvollen Ambiente der "Alten Fähre" in Kanzem veranstalteten. "Kleinkunst" hatten die beiden Herausgeber des zweimal jährlich erscheinenden Kulturbändchens in ihrer Begrüßung des Publikums angekündigt. Kleinkunst auf hohem Niveau erlebten die fast wie eine geschlossene Familie erschienenen Zuhörer.

Gedichte und Prosastücke - beides von teils hoher Intensität - kennzeichnen, wie alle bisher erschienenen Ausgaben, auch den neuen Band des "literamus". Die Hoffnung der beiden "literamus"-Herausgeber, dass einige der Autoren ihre Werke selbst vortragen würden, erfüllte sich nicht: Wegen der teils sehr großen Entfernungen hatten sie auf die Anreise verzichten müssen. So gestalteten Diana Greis, Hans Greis und Erwin Otto die Text-Lesungen; und wenn es denn gelegentlich ein wenig stockte, dann sorgten ein Augenzwinkern oder ein kleines Lächeln dafür, dass keine Verlegenheit aufkommen konnte.Musikalische Inseln in einer Flut der Worte

Hören, Zuhören über längere Strecken kann anstrengen - vor allem dann, wenn die Geräuschkulisse aus der ein Stockwerk tiefer gelegenen Gaststätte die Text-, Gesang- und Instrumentalvorträge zwar nicht gerade überlagert, aber gelegentlich doch mehr als nur ein Hintergrund-Gegrummel ist. Dennoch: Christoph Greis, Chris-toph Riemenschneider, Diana Greis und Almut Riemenschneider schufen mit Klavier, Flöte und Gesang, unbeeindruckt vom "Background" und vom dankbaren Publikum mit herzlichem Beifall bedacht, musikalische Inseln in der Flut der Worte. Dem eher Irdisch-Handfesten zugewandt zeigte sich Walter Liederschmitt (der zurzeit an einer neuen CD arbeitet). Er, der Spielmann, der Bänkelsänger, beschwor jene Zeit, da man sich hier und dort zu Lande über die ständig wechselnden Grenzen hinweg spinnefeind sein musste, weil es von den Mächtigen so vorgeschrieben war, und warb so eindringlich für den Dialog in "Austrasien", der Region, die heute Saar-Lor-Lux genannt wird. Natürlich auf Moselfränkisch. Als Hans Greis ihn erinnerte "Mag sein, dass dich nicht jeder hier verstanden hat", lud Liederschmitt, wieder auf Moselfränkisch, ein: "Mer kammich jo fro'en, wat dat eijentlich hähcht…" Betrachtungen über die Weltreligionen

Gefragt hat niemand; Moselfänkisch wird gottlob noch immer verstanden. Dichtung, vor allem moderne Dichtung, wird häufig beklagt, passiere das alltägliche Geschehen allzu oft völlig unbeeindruckt von der Aktualität. Zu unrecht. Hans Greis nimmt sich in seinem Prosa-Gedicht "Wenn ich Papst wäre" jener uralten Spannungen an, die in jüngster Vergangenheit durch die in Teilen missverstandene Regensburger Rede des deutschen Papstes Benedikt XVI. neu angefacht und durch dessen Türkei-Besuch vielleicht endlich in einen Dialog der großen Religionen münden werden. Greis lässt seine Betrachtung des Christentums, des Islams und des Judaismus so enden: "… Wenn alle drei glauben, dass ihre Heiligen Bücher von Gott/Allah selber abstammen, dann soll jeder glauben, was er für richtig hält. Eine jede Religion soll aber auch akzeptieren, dass es Menschen gibt, die glauben, dass alles nur Menschenwerk ist. Und genau das ist die Aufgabe der Ver-nunft: Wo ihre Kompetenz endet, da beginnt der Glaube…"

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