Mussorgsky mit Klezmer-Gefühl

Russische Klassik trifft jüdische Klezmermusik: Eine Synthese der besonderen Art boten die ukrainische Pianistin Marina Baranova und der Klarinettist Helmut Eisel den rund 150 Zuhörern in der ehemaligen Synagoge in Wawern.

 Wenn russische Klassik und Klezmermusik zu purer Spiel- und Lebensfreude verschmelzen, ist ein großartiges Konzerterlebnis garantiert: In der Wawerner Synagoge überzeugten Pianistin Marina Baranova und Klarinettist Helmut Eisel mit ihrem Programm „Impromptu“. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Wenn russische Klassik und Klezmermusik zu purer Spiel- und Lebensfreude verschmelzen, ist ein großartiges Konzerterlebnis garantiert: In der Wawerner Synagoge überzeugten Pianistin Marina Baranova und Klarinettist Helmut Eisel mit ihrem Programm „Impromptu“. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Wawern. Der Anlass lässt Düsteres vermuten: Zum Jahrestag der Reichspogromnacht luden Ortsbürgermeister Hans Greis und der Förderverein Synagoge Könen in die ehemalige Wawerner Synagoge, die 1938 den Nationalsozialisten zum Opfer fiel und später restauriert wurde. Mit ihrer Mischung aus russischer Klassik, Klezmer und furiosen Eigenkompositionen setzen der virtuose Klarinettist Helmut Eisel und die kongeniale Pianistin Marina Baranova brillante musikalische Akzente. Unter dem Titel "Impromptu" zeigen die Musiker schon zu Beginn ihre enorme technische und artikulatorische Bandbreite, als sie Modest Mussorgskys Elster-Thema mit eigenen Klezmer-Improvisationen anreichern. Klezmer, erklärt Eisel, habe dergestalt wenig mit technisch exaktem Spiel zu tun. "Vielmehr hören wir in uns und in den Raum und spielen das, was wir fühlen."Dieses Gefühl trifft den Nerv der Zuhörer, und zwar auf den Punkt: Während sich Eisel und Baranova - zu deren Virtuosität ein schwarzer Konzertflügel weitaus besser gepasst hätte als das schlichte braune Klavier - in den drei Paganini-Suiten von Rachmaninow und Brahms in immer höhere Sphären spielen, wechseln sie spielerisch von klagendem Lamento in beschwingte Leichtigkeit, ziehen das Publikum mit sich - ausnahmslos.Größte Virtuosität

Mit "Goldenberg and Shmuyle in Safed" beweisen Eisel und Baranova in Anlehnung an Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" auch größte Virtuosität im intellektuellen Umgang mit den musikalischen Vorlagen. "Mussorgsky hatte viele geniale Phasen, aber auch ein paar weniger gute. Wir haben dann eingegriffen und die weniger gelungenen Zwischenteile korrigiert - es hätte ihm bestimmt gefallen", scherzt Eisel. In einem furiosen Finale führt das Goldenberg-und-Shmuyle-Thema zu Mussorgskys "Johannisnacht auf dem kahlen Berge", dessen Traum-Motiv in einer genialen Bearbeitung mit quirligen Klarinetten-Improvisationen angereichert wird und als "Sleep, sleep, my Peasant Son" und "Baba Yaga's magical dance" eine schier grenzenlose Spiel- und Lebensfreude offenbart.Es ist vor allem diese gedanklich stringente Auseinandersetzung mit den musikalischen Themen, die das Duo Eisel/Baranova von anderen Crossover-Projekten, beispielsweise im Bereich Klassik und Jazz, qualitativ herausragend erscheinen lässt. Mehr noch: Wie kaum einem anderen Instrumental-Duo gelingt es Helmut Eisel und Marina Baranova, durch ihre Musik ein Gefühl zu vermitteln, das die Zuhörer berührt und sich nicht in der Oberflächlichkeit des Momentes verliert.

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