Narben, die verschwinden müssen

KONZ-OBEREMMEL. Sie sind Narben in einer alten Kulturlandschaft, und ihr wilder Bewuchs gefährdet benachbarte Rebflächen: Drieschen, aufgegebene Weinberge, die notdürftig geräumt wurden und oft als wilde Müllabladestellen missbraucht werden. In und um Oberemmel schafft die "Solidargemeinschaft Drieschen" Ordnung.

 Nach der Bearbeitung durch die Solidargemeinschaft Drieschen ist der Unterschied zwischen einer sauber hergerichteten sillgelegten Rebfläche (grüner Bereich in der Bildmitte) und einer noch zu mulchenden Fläche (gelb, rechts daneben) deutlich erkennbar. TV-Foto: Klaus D. Jaspers

Nach der Bearbeitung durch die Solidargemeinschaft Drieschen ist der Unterschied zwischen einer sauber hergerichteten sillgelegten Rebfläche (grüner Bereich in der Bildmitte) und einer noch zu mulchenden Fläche (gelb, rechts daneben) deutlich erkennbar. TV-Foto: Klaus D. Jaspers

Der Wandel der "Geschmäcker" und der Preisdruck durch billige Importweine waren für viele Nebenerwerbswinzer an Mosel und Saar die beiden Hauptgründe, ihre Betriebe aufzugeben. Konnten sie ihre Rebflächen oft genug noch nicht einmal zum Nulltarif an weiter bestehende, größere Betriebe verpachten, wurden die Reben ausgehauen, die Flächen blieben unbearbeitet liegen. Vor allem in Klein- und Kleinstbetrieben fehlte oft das Geld, Rücksicht auf die Kulturlandschaft zu nehmen und "tabula rasa" zu machen. Übrig blieben - oft neben und zwischen gepflegten Rebflächen glücklicherer Winzer - langsam verkommende Bergflanken sogar in den besten Lagen. Nicht nur den begehrten Feriengästen bietet sich so ein unerfreulicher Anblick.Rückgang von 245 auf 85 Hektar

Vom Rückgang des Weinbaus in der Region künden ein paar Zahlen. Oberemmel und das gesamte Tälchen dekorierten sich vor 20 Jahren noch ansehnlich und reizvoll mit Weinbergsflächen, die lückenlos ineinan-der übergingen. 245 Hektar waren damals mit Rebstöcken bepflanzt. Heute werden noch rund 85 Hektar als Weinberge bewirtschaftet. Das bedeutet mit (geschätzten) 850 000 Litern jährlicher Weinproduktion zwar immer noch einen beachtlichen regionalen Wirtschaftsfaktor, dessen Neuorganisation jedoch unübersehbare Spuren hinterlassen hat. Die Landwirtschaftskammer und die Bauernverbände grenzten im Rahmen dieser Neuorganisation die Rebflächen neu ab mit dem Ziel, sie zu konzentrieren, und mussten schon bald erkennen, dass das Ganze ein paar Nummern zu groß war. In einem Bericht von Ortsvorsteher Hermann Josef Benzkirch heißt es, "dass die Dimension des Rückgangs so nicht einzuschätzen war". Und weiter: "Nach einer längeren Anlaufphase, in der sich verschiedene Gremien - ob Politik, örtliche Bauernverbände oder auch Winzerzusammenschlüsse mit dieser Problematik auseinandergesetzt haben, kam man nun aufgrund massiver Probleme mit dem Erscheinungsbild unseres Ortes sowie mit verstärkt zunehmenden alten und neuen Pflanzenkrankheiten zu dem Schluss, mit dem möglich Machbaren anzufangen und die Geschicke selbst in die Hand zu nehmen." Für den 4. April 2006 wurden alle Grundstücksbesitzer aus den Teilbereichen Scharzberg, Schock (Neu-Schock), Karlsberg und Rosenberg zur Teilnahme an einer Versammlung eingeladen, in der Nägel mit Köpfen gemacht wurden. Die meisten Flächen sind inzwischen "aufgeräumt"

Claus Piedmont (Landwirtschaftskammer Trier) erläuterte die gesetzlichen Zwänge (im Zusammenhang mit einer Flächenstilllegung), und Bürgermeister Winfried Manns sagte die Unterstützung der Verwaltung zu, falls die Flächen im Rahmen einer freiwilligen Solidargemeinschaft gepflegt, die Kosten auf alle Flächen umgelegt und die anfallenden Arbeiten gemeinsam mit der Gemeinde bewältigt würden. Die "Solidargemeinschaft Drieschen" wurde gegründet und beauftragt, die Besitzer der infrage kommenden Parzellen anzusprechen, den fällig werdenden Beitrag einzuziehen und die Einverständniserklärung zum Mulchen der Parzellen einzuholen. Ehe es ans Mulchen der nach der Stilllegung ins Kraut geschossenen Gräser, Büsche und Sträucher geht, müssen die Parzellen von alten "Drahtverhauen" und Unrat befreit werden, eine Arbeit, die in gemeinsamen Aktionen erledigt wird. Der weitaus größte Teil der nicht mehr bearbeiteten Flächen präsentiert sich mittlerweile ansehnlich-aufgeräumt und könnte jederzeit neue Rebschösslinge aufnehmen. Unansehnliche Drieschen gibt es in und um Oberemmel kaum noch: Die Feriengäste erleben eine Landschaft, der die von der wirtschaftlichen Entwicklung erzwungenen Veränderungen anzusehen sind, und die gleichwohl ein gepflegtes Stück wieder gewonnener Natur ist.

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