"Schreiben macht süchtig"

KONZ. Ein besonderer Gast machte Station in der Stadtbibliothek Konz: Arnon Grünberg stellte seinen Roman "Gnadenfrist" einem begeisterten Publikum vor – und gab darüber hinaus einige Lebensweisheiten zum Besten.

Um 20 Uhr war die Stadtbibliothek in Konz erstaunlich gut gefüllt. Das Publikum reichte von Studenten bis zu Rentnern. Aus den Gesprächen wurde schnell klar, dass nicht nur Konzer gekommen waren. Auch aus Trier und Umgebung kamen erwartungsvolle Zuhörer, um den niederländischen Autor, der in seiner Heimat als Wunderkind und Enfant terrible gilt und in Deutschland gern mit Woody Allen verglichen wird, aus seinem neuen Roman "Gnadenfrist" lesen zu hören. Hintergründe zur Romangeschichte

Nachdem noch einige Stühle dazugestellt wurden, damit auch alle einen Sitzplatz hatten, stellte Angelika Hellwig von der Buchhandlung "Kolibri" den Stargast vor: "Ich freue mich sehr, dass ich ihn für eine Lesung ins kleine Konz gewinnen konnte." Bevor Grünberg zu seinem Buch griff, erklärte er noch, dass seine Diplomatengeschichte mit der Geiselnahme in der japanischen Botschaft in Lima 1996 durchaus einen realen Hintergrund habe, und dass es ihm letztlich um die Frage ging, warum kein einziger Vertreter der niederländischen Botschaft an diesem Empfang teilnahm. Für seine Recherchen sei er selbst nach Lima gefahren. Eine wirkliche Antwort auf die Frage habe er jedoch nie bekommen. Er könne ohnehin "besser etwas erfinden, als nüchtern etwas wiederzugeben". Mit diesen Worten begann er, aus dem Buch zu lesen und stellte seinen Protagonisten Jean Baptist Warnke vor. "In Wirklichkeit ist es noch schlimmer"

Warnke ist "zweiter Mann" der niederländischen Botschaft in Lima. In ironisch und lakonischen Sätzen beschreibt Grünberg das eintönige und biedere Leben seiner Hauptfigur, das sich bis zur besagten Geiselnahme Stück für Stück zuspitzen soll. "Manchmal wird mir unterstellt, dass ich in der Geschichte viel zu sehr übertrieben hätte. Aber in Wirklichkeit ist das Leben eines Diplomaten noch viel schlimmer. Denn Idealismus kann schnell zu Zynismus werden." Er griff zu einem anderen Buch, legte es aber sogleich wieder bei- seite: "Sonst lese ich immer noch ein wenig aus ,Der Vogel ist krank', aber heute habe ich dazu keine Lust." Er schaute zu Angelika Hellwig und fragte, ob sie auch ein Exemplar von "Amour fou" dabei habe, was er unter dem Pseudonym "Marek von der Jagt" geschrieben habe. Grünberg zog auch damit sofort wieder alle in seinen Bann. Anschließend unterhielt er vorzüglich mit seiner Lebensgeschichte. Grünberg erzählte, wie er "als asoziales Element" vom Gymnasium flog, wie er für ihn traumatische Besorgungen für seinen ersten Boss tätigen musste, und wie er, aus einer Lüge heraus, zum Schriftsteller wurde. Inzwischen könne er gut von seiner Schreiberei leben. "Ein Phantast ist, wer erst eine Lüge erzählt, aber dann alles daran setzt, es zu einer Wahrheit werden zu lassen." Er beschrieb die Eifersüchteleien unter Verlegern, die ihn letztlich dazu brachten, auch unter Pseudonym zu schreiben. Dadurch, dass auch dieser "Marek von der Jagt" auf einmal einen Preis für den besten Debütroman erhielt - "den ich ja eigentlich schon hatte" - werde es immer schwieriger für ihn, anonym zu bleiben."Konz kannte ich noch nicht"

Locker und witzig stellte er sich den Fragen des Publikums, erklärte, dass er sich selbst für einen sehr melancholischen Menschen halte, es ihm aber nichts ausmache, wenn er beim Publikum nicht so rüberkäme. Auf die Frage, warum er ausgerechnet nach Konz gekommen sei, antwortete er: "Wissen Sie, irgendwann kennt man alle Orte, in denen es Buchläden gibt, weil man immer wieder dorthin eingeladen wird. Aber Konz kannte ich noch nicht." Schließlich signierte Arnon Grünberg noch zahlreiche Bücher und verabschiedete sich mit den Worten: "Schreiben macht süchtig." Grünberg-Fans dürften sich also nach dieser Aussage auf weiteren Lesestoff des Autors freuen.

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