Wasser zerreibt Steine

Wasserliesch · Die authentische Erfahrung, wie es ist, wenn sich ganz normale Mitmenschen in Bestien verwandeln, wird am Freitag, 20. März, um 19.30 Uhr bei der Lesung von Brigitte Thelen im Haus der Begegnung in Wasserliesch deutlich. Die Autorin und praktizierende Katholikin hielt als Warnung für die Nachwelt fest, wie ihre Eltern den Krieg erlebt haben.

 Brigitte Thelen zeigt in ihrem Buch, dass es sich lohnt, nie den Mut zu verlieren. TV-Foto: Herbert Thormeyer

Brigitte Thelen zeigt in ihrem Buch, dass es sich lohnt, nie den Mut zu verlieren. TV-Foto: Herbert Thormeyer

Wasserliesch. "Wasser zerreibt Steine" ist ein Zitat aus dem Kapitel 14, Vers 19, Buch Hiob im Alten Testament der Bibel. Es ist auch der Titel des ersten Buches von Brigitte Thelen aus Wasserliesch, das sie am 20. März, um 19.30 Uhr im Haus der Begegnung in einer Lesung vorstellt. Genau wie Hiob nie das Gottvertrauen zu verlieren, trotz Kriegs und erschütternder Katastrophen ist ihre Botschaft.
"Ich habe meine Mutter Theresia immer wieder gebeten, mir von den schrecklichen Ereignissen aus dem Krieg zu erzählen", erklärt die Autorin die Tatsache, dass sie ihr Buch fast auswendig niederschreiben konnte. Mit eingeflossen sind auch Gespräche mit Zeitzeugen, Menschen, die heute um die 90 Jahre alt sind. Lange habe sie mit dem Schreiben gezögert, weil die Erlebnisse psychisch noch nicht ganz verarbeitet waren. Es geht um die eigene Familie. Vater Alois war ein Nazigegner und machte daraus auch keinen Hehl, was ihm schließlich eine Gefängnisstrafe einbrachte. Mutter Therese, Terri genannt, musste acht Kinder durchbringen. Prägend waren die Aufenthalte im Stollen des Bergwerkes Fell: "Ich glaubte lange, das selbst erlebt zu haben." Doch die heute 70-Jährige war damals noch ein Baby, ist aber sicher: "Da drin habe ich immer nur geweint und erst aufgehört, als wir wieder draußen waren." Bis heute habe sie bei Enge, wie etwa in einem Fahrstuhl, Probleme und als Kind lange unter Alpträumen gelitten. Früher ganz normale Mitbürger zeigten als Nazis ein völlig anderes Gesicht. "Einer schoss mal mit der Pistole nur aus Jux durch das Schlüsselloch unserer Haustür", weiß Thelen von ihrer Mutter. Nach dem Krieg musste sie verbittert mitansehen, wie einige der Peiniger sich wieder voll in die Gesellschaft integrierten.
Die Kinder mussten die Nazi-Rituale beim Jungvolk mitmachen. Das ging nicht ohne den Hitlergruß. Jüdische Familien verschwanden spurlos. "Aber meine Eltern wussten, die kommen nicht wieder, denn sie hörten deutschsprachige Sendungen der BBC aus England", erinnert sich die praktizierende Katholikin. Da wurde erklärt, dass es Konzentrationslager gab, und es wurde ohne Propaganda von der Front berichtet.
Noch in der letzten Kriegsnacht wurde ihr Elternhaus bei einem Luftangriff der Alliierten zerstört. Brigitte Thelens Rat an die Jugend von heute ist: "Fallt nicht auf Demagogen herein. Hinterfragt ihre Parolen kritisch."
Die Demokratie von heute geht der Autorin noch nicht weit genug: "Es müsste beispielsweise Volksbefragungen wie in der Schweiz geben." Wenn sie heute Nachrichten im Fernsehen schaut oder Zeitung lese, könne es ihr schon wieder angst und bange werden. doth
Extra

Brigitte Thelen wurde 1944 in Wasserliesch geboren, wo sie auch lebt. Sie ist ausgebildete Bürokauffrau für Groß- und Außenhandel und jetzt Rentnerin. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und drei Enkel. Ihre Hobbys: Mundartdichtung, Geschichten aus ihrer Heimat ins Netz zu stellen und Krippenfiguren zu sammeln. Nach Thelens Lesung am Freitag, 20. März, 19.30 Uhr, im Haus der Begegnung werden Spenden gesammelt. Das Geld ist für ein Waisenhaus im afrikanischen Benin bestimmt. Ihr Buch mit 419 Seiten ist im Engelsdorfer Verlag erschienen. ISBN: 978-3-95744-535-3, Preis 18 Euro. doth

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