Wenn alte Bräuche wieder lebendig werden

Konz · Beim Keltertag im Freilichtmuseum Roscheider Hof stand der Viez im Mittelpunkt des Interesses. Kinder und Erwachsene konnten den Vorgang des Kelterns beobachten und den frisch gepressten Most gleich an Ort und Stelle verkosten. Umrahmt wurde die Veranstaltung von Darbietungen der Letzgesellen 1477.

 Mit großem Interesse verfolgen die Zuschauer den Vorgang des Kelterns, für den ein beträchtlicher Kraftaufwand nötig ist. TV-Foto: Rolf Lorig

Mit großem Interesse verfolgen die Zuschauer den Vorgang des Kelterns, für den ein beträchtlicher Kraftaufwand nötig ist. TV-Foto: Rolf Lorig

Konz. Zwei Männer füllen die Kelter auf dem Hof des Freilichtmuseums mit Äpfeln. "In diesem Jahr können wir endlich wieder eigene Produkte von unseren Streuobstwiesen keltern", freut sich Geschäftsführer Hermann Kramp. In den beiden zurückliegenden Jahren mussten Äpfel gekauft werden. "Die waren nicht schlecht, doch die eigenen schmecken immer besser."
Unter den Zuschauern ist auch Gertrud Becker. Nachdenklich beobachtet sie die beiden Männer bei der Arbeit. "Früher gab es in vielen Häusern Kelter, da war das normal, dass zur Apfelernte auch gekeltert wurde." Sie ist froh, dass das Freilichtmuseum Kindern und Jugendlichen zeigt, wie mühsam früher oft der Alltag war. "Erst wenn man das selbst sieht, kann man sich ein Bild davon machen."
Das sieht auch Karl Christmann so. Der gelernte Schmied veranschaulicht an diesem Wochenende mit den Letzgesellen 1477 das mittelalterliche Dorf- und Lagerleben. In liebevoll geschneiderter mittelalterlicher Kleidung zeigen über 20 Männer und Frauen, wie zur damaligen Zeit gelebt und gearbeitet wurde. Marita Geerth aus Schweich ist davon sehr beeindruckt: "Das Wissen der Akteure um die damalige Zeit ist enorm." Seit sechs Jahren gibt es die Letzgesellen, die auf Roscheid durch Gäste aus Offenbach und Luxemburg verstärkt werden. Christmann freut sich über das Interesse der Zuschauer: "Wir hatten hier sehr viele gute Gespräche, die von wirklicher Wissbegier geprägt waren."
Wissen will es auch ein Kamerateam des SWR. Gedreht wird eine 30-minütige Dokumentation über die Viezstraße. "Den Anfang machen wir hier auf Roscheid", klärt Redakteurin Natascha Walter auf, die sich von dem Freilichtmuseum begeistert zeigt. Letzter Drehort ist an der Saarschleife. Ausgestrahlt wird der Beitrag im Rahmen der Reihe "Fahr mal hin" am 19. November um 22 Uhr im dritten SWR-Fernsehprogramm. Was Natascha Walter betrübt. "Es wird der letzte Beitrag dieser Reihe sein."
Auch für das Freilichtmuseum war es die vorletzte große Themen-Veranstaltung in diesem Jahr. Doch Geschäftsführer Hermann Kramp hat noch ein Ass im Ärmel: "An den beiden mittleren Advents-Wochenenden wird unser Weihnachtsdorf noch einmal viele Menschen hierher auf den Roscheider Hof bringen."Extra

Geerbter Schmuck, alte Bilder und Bücher, Porzellan und Kameras, Geschätztes von anno dazumal - verbindet sich mit dem ideellen auch ein materieller Wert? Wer am Samstag das Kelterfest besuchte und dabei seine Schätze mitbrachte, der konnte darüber Genaueres erfahren. Mit dem Kunsthistoriker Markus Berberich und dem Edelsteinschleifer Robert Lind hatte Organisator Bernard Bölinger zwei ausgewiesene Fachleute gewonnen, die in einer ganzen Reihe von Fällen Licht ins Dunkel bringen konnten. Allerdings ließ es sich nicht vermeiden, dass auch so manche Hoffnungsblase platzte. "Vieles, das in der Familie über Generationen hoch geachtet wird, hat bei Licht betrachtet kaum materiellen Wert", weiß Museumsleiter Ulrich Haas und ergänzt: "Der Markt ist manchmal wirklich grausam." Allerdings gibt es auch immer wieder Überraschungen. Wie bei Alfred und Martina Boden, die alte Bücher, darunter ein über 200-jähriges Gesangbuch aus Braunschweig, mitgebracht haben. Christliche Werke seien nicht stark nachgefragt, weiß Markus Berberich. Weshalb der materielle Wert des Buches nicht hoch sei. Doch ein anderes Buch erregt schließlich sein Interesse: die "Urgeschichte des Menschen" aus dem Jahr 1893. Das Buch selbst wäre ebenfalls nicht besonders wertvoll, doch eine aufgebrachte "Exlibris"-Grafik auf der ersten Innenseite bringt die Überraschung: "Solche Grafiken sind gesucht", weiß der Kunsthistoriker. Das Ehepaar Boden ist angenehm überrascht. "Das hätten wir übersehen", sagt Alfred Boden. Verkaufen will das Ehepaar das Buch aber dennoch nicht, wohl aber sich weiter über den Grafiker informieren. flo

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