Wie Lakritz: Man mag es oder nicht

KANZEM. Wird in Kanzem eine Anlage mit Stellplätzen für bis zu 120 Wohnmobile gebaut? Noch ist nichts entschieden, aber: Das Vorhaben wird seit langem heiß diskutiert von Befürwortern, Zweiflern und Gegnern.

Der Ort an der Saar hat einschließlich seiner 48 "Nebenwohnsitzler" 653 Einwohner (Stand 31. Oktober 2006). Der aus einer Bürgerinitiative gegen das Vorhaben hervorgegangene Bürgerverein hatte zu einer Informationsveranstaltung mit wissenschaftlich fundiertem Zahlenmaterial geladen. Angst vor der Würstchenbude

Das große Engagement der Vertreter der Pro- und Kontrafraktion, welche die überwiegende Mehrzahl der Besucher stellten, verstellte in der teils leidenschaftlich geführten Diskussion gelegentlich den Blick auf die Sachlichkeit. Von "elitärem Gehabe" und angeblich "mangelndem persönlichen Engagement" der vermeintlich neuen (und teils kritisch eingestellten) Einwohner war unter anderem die Rede und - auf der anderen Seite - davon, dass die Investoren, ein Ehepaar aus einem Nachbardorf, doch vielleicht "Strohleute" seien, die nicht über ausreichendes Kapital verfügten, um die Anlage bei ausbleibendem wirtschaftlichen Erfolg wieder zurückzubauen. Wenig vornehm, aber klar verständlich drückte eine alteingesessene Kanzemer Bürgerin an den Investor gerichtet, ihre Sorge aus: "Wenn Sie das bauen, dann haben Sie einen Arsch voll Schulden, dann bauen Sie als Erstes eine Würstchenbude und suchen eine Bank, die Ihnen noch einen Euro gibt…" Da war die Antwort des Investors, dass er keine Auskünfte über Kapital und Investitionen gebe, zwar verständlich, aber nur wenig beruhigend: Natürlich sei an Gastronomie gedacht, wenn denn keine solche vorhanden sei, was wiederum den Kanzemer Ortsbürgermeister Günter Frentzen, Befürworter der Wohnmobilanlage, auf den Plan rief: "Wenn dort eine Gastronomie entstehen soll, dann braucht gar nichts gebaut zu werden. Dem werden wir in keinem Fall zustimmen." Trotz der temperamentvollen Diskussionsbeiträge hatte Dr. Wolf Gruber, Vorstandsmitglied des Bürgervereins, als Moderator keine Mühe, die Wogen zu glätten.Studie: Beitrag zur regionalen Wertschöpfung

Die sachlichen Informationen zum Thema, das in Kanzem schon seit längerem Anlass zu teils heftigen Streitgesprächen liefert, hatte der Diplom-Geograf Torsten Widmann gegeben. Er untersuchte für seine Dissertation alle Aspekte des Wohnmobiltourismus. Darin heißt es unter anderem, die ausgeprägt hohe Reisefrequenz der Wohnmobiltouristen im Inland "generiere große Beiträge zur regionalen touristischen Wertschöpfung". Insgesamt ist die Rede von 982 Millionen Euro jährlich. Die täglichen Pro-Kopf-Ausgaben schwankten je nach Quelle (Angabe aus dem Jahr 2003) zwischen 26,90 und 37,20 - genannt wurden in einer anderen Untersuchung auch 45,09 Euro. Die prozentuale Verteilung der Ausgaben wird leicht unterschiedlich angegeben: Sie reicht von 36,8 Prozent für Gastronomie und Einzelhandel bis 42 Prozent. Allerdings fehlen Angaben über die regionale Verteilung. In welchem Umfang Kanzem von dem geplanten Wohnmobilplatz profitieren würde, blieb offen. Ob der Wohnmobil-Tourismus, der zunächst dramatische jährliche Steigerungsraten verzeichnete, dann aber stagnierte, angesichts der ständig steigenden Kosten wieder zunehmen wird, vermag derzeit niemand zu sagen. Tatsächlich hat er in der Vergangenheit belebende Aspekte gebracht - für die Gastronomie und den örtlichen Handel. Über die Anzahl der Stellplätze, die der Investor in Kanzem einrichten will, stehen unterschiedliche Angaben im Raum: Sie reichen von 61 bis 120. Und ob der Wohnmobilplatz hinter dem Ortsausgang in Richtung Wawern zwischen Straße und Saar-Altarm angelegt werden kann und darf, ist ebenfalls noch lange nicht ausgemacht. Möglicherweise gibt es eine ganz andere Lösung. René Morbé, Vorsitzender des Bürgervereins, im Gespräch mit unserer Zeitung: "Wir sind ja gar nicht grundsätzlich gegen einen Wohnmobilplatz, aber doch nicht an dieser Stelle!" Rat will die Bürger fragen

Derzeit wird laut Frentzen "eine Standortanalyse erstellt, wenn diese positiv ausfällt, dann wird zu entscheiden sein, aber es fällt keine Entscheidung gegen den Bürgerwillen. Wir, der Rat, werden die Bürger vor unserer Entscheidung befragen." Überzeugt von der Zusage des Ortsbürgermeisters war jener Diskussionsteilnehmer nicht, der seine Skepsis so formulierte: "Politiker-Versprechen haben eine gewisse Halbwertzeit…" Und die aus dem Publikum geäußerte Zusammenfassung der Für- und-Wider-Argumente lautete: "Mit dem Wohnmobil-Stellplatz ist es wie mit Lakritz: Man mag es, oder man mag es nicht."

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