100 Tage Elbphilharmonie

Hamburg · Hamburger und Touristen staunen über das neue Wahrzeichen und genießen das Klangwunder. Doch es gibt auch Mankos.

Hamburg (dpa) Hamburgs Generalmusikdirektor Kent Nagano hatte sich schon vor der Eröffnung weit aus dem Fenster gelegt, als er meinte: "Die Elbphilharmonie wird der beste Saal der Welt." Seit rund 100 Tagen begeistert das neue Konzerthaus Hamburger und Touristen. Doch an manchen Ecken hapert's noch - wie etwa bei der Anzahl der Toiletten.

Was läuft gut:
Akustik: Die Akustik im großen Konzertsaal wird heiß diskutiert. Die meisten Kritiker und Musiker stellen dem neuen Konzerthaus ein positives Zeugnis aus und schwärmen vom "glasklaren Klang" und der "Transparenz". Fest steht, dass der Saal keine Fehler verzeiht. Wenn ein Musiker oder Sänger den Ton nicht genau trifft, dann fällt das auf. Das heißt aber auch: Je besser ein Orchester, desto besser der Klang. Was man als Zuhörer unbedingt vermeiden sollte: husten oder rascheln, denn auch das ist nur allzu gut zu hören.
Die Beurteilung scheint auch davon abzuhängen, wo man sitzt. Denn auch, wenn man in der "Elphi" eigentlich von jedem der 2100 Plätze gleich gut hören soll, gibt es Unterschiede. So finden einige Besucher, dass der Saal, der wie ein Amphitheater gebaut ist, am besten klingt, wenn man gegenüber dem Orchester sitzt, während die Plätze hinter dem Orchester nicht so gefragt sind.
Programm: In den Eröffnungswochen gab sich das "Who is Who" der Klassikszene die Klinke in die Hand: von den Wiener Philharmonikern bis zum Chicago Symphony Orchestra, von Yo-Yo Ma bis Cecilia Bartoli. Hinzu kamen anspruchsvolle Themenfestivals mit verschiedenen Schwerpunkten wie "New York Stories" oder "Salam Syria". Und so wird es in der kommenden Saison weitergehen.
Resonanz/Karten: Die Nachfrage nach Karten für die Elbphilharmonie ist so groß, dass schon vor der Eröffnung sämtliche Konzerte bis Juli ausverkauft waren. Und immer, wenn es neue Karten gibt, bricht der Server wegen Überlastung zusammen. Was die Veranstalter freut, sorgt bei zahlreichen Elphi-Fans für Frust, weil sie regelmäßig bei der Kartenvergabe leer ausgehen. Intendant Lieben-Seutter glaubt, dass der Hype noch bis Anfang 2019 anhalten wird. Damit es in der kommenden Saison "etwas gerechter" zugeht, werden vom 8. bis 22. Mai die Anfragen für Abos gesammelt, danach entscheidet das Los. Dieses Verfahren soll auch für ausgewählte Sonderveranstaltungen gelten, der Einzelkartenverkauf für alle Konzerte in der Elbphilharmonie startet am 12. Juni.
Architektur: Die Eröffnung der Elbphilharmonie wurde sogar auf dem Times Square in New York gefeiert - die ganze Welt ist begeistert von Hamburgs neuem Wahrzeichen. Tausende Menschen strömen auch ohne Konzertkarte jeden Tag auf die öffentliche Plaza in 37 Metern Höhe, um den Rundumblick über den Hamburger Hafen zu genießen. Bisher wurden bereits 1,5 Millionen Besucher auf der Plaza gezählt - rund 250 000 Besucher konnten ein Konzert im Großen Saal erleben.

Was läuft nicht so gut:

Treppen: Die einzigartige Architektur der Schweizer Herzog & de Meuron führt aber auch zu einigen Problemen. So ist es wegen der steilen Treppen, die manchmal wie eine einzige Fläche wirken, schon zu etlichen Stürzen gekommen. Hier wollen die Verantwortlichen nun mit baulichen Maßnahmen nachbessern. So soll die Erkennbarkeit der Stufen verbessert und zusätzliche Geländer sollen angebracht werden. Die Theaterärzte, die bisher ehrenamtlich gearbeitet haben, wurden bereits durch professionelle Sanitäter ersetzt, die sich besser um verletzte Besucher kümmern können.
Toiletten und Garderoben: Vor den Toiletten und den Garderoben der Elbphilharmonie bilden sich regelmäßig lange Schlangen. Das hat bereits zu einigem Unmut bei Besuchern geführt. Dabei steht die Elbphilharmonie im Vergleich zu anderen Konzertsälen gut da: 125 Toiletten (51 für Damen, 74 für Herren) kann die Elphi vermelden, in der Hamburger Staatsoper sind es bei 1690 Plätzen nur 66 Toiletten (28 für Damen, 38 für Herren), in der Laeiszhalle bei 2025 Plätzen 28 für Damen, 28 für Herren. "Die Leute haben noch nicht verinnerlicht, dass es auf jeder Etage Toiletten gibt. Man muss sich nicht unbedingt in die längste Schlange stellen", sagt der Sprecher der Kulturbehörde, Enno Isermann. Als Geheimtipp gilt die 13. Etage: Hier gibt es im Vergleich zu den anderen Etagen gleich mehrere Toiletten.
An- und Abfahrt: Ein von drei Seiten von Wasser umgebenes Gebäude ist schwer zu erreichen - das war von Anfang an klar. Wenn bei Konzertende 2100 Menschen nach Hause wollen, kann es schon mal eng werden. Die nächste U-Bahnstation am Baumwall ist 450 Meter entfernt, bei Sturm und Regen kann der Weg dorthin ungemütlich werden - vor allem im Abendkleid. Auch der Platz für Taxen vor dem Konzerthaus ist begrenzt, offiziell gibt es nur drei Ein- und Ausstiegsplätze. Die Taxen stauen sich auf der Klappbrücke, die zum Konzerthaus führt. "Forderungen nach mehr Taxenplätzen können leider nicht erfüllt werden, da es auf einer Klappbrücke keine Halteplätze geben kann", sagt Pressesprecher Tom R. Schulz.
Applaus: Dürfen die Zuschauer zwischen den einzelnen Sätzen eines Stückes klatschen oder nicht? Um das Verhalten bei Klassikkonzerten ist in Hamburg eine heftige Diskussion entbrannt. Die einen frohlocken: Denn die Elbphilharmonie lockt auch ein Publikum an, das sich bisher nicht so sehr für klassische Musik interessiert hat und daher auch weniger mit den ungeschriebenen Regeln bei Konzerten vertraut ist. Puristen und langjährige Konzertgänger stören sich dagegen an den neuen, lockeren Umgangsformen in der Elbphilharmonie. Sie bestehen darauf, an alten Traditionen festzuhalten.

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