1000 Menschen suchen ihr Zimmer

PRÜM. Ein Geistlicher am Rednerpult und doch kein Prediger: In der ausverkauften Aula der Wandalbert-Hauptschule Prüm hat der Benediktinermönch und Bestsellerautor Anselm Grün am Freitagabend im Rahmen des Eifel Literatur Festivals über die "Quellen innerer Kraft" vorgetragen.

Ein Tisch, ein Mikrofon, ein Glas, ein Öffner und vier Flaschen. Zwei davon mit Apfelschorle und zwei mit Sprudel. Sprudel ist immer gut, denn wo es sprudelt, ist meist auch eine Quelle. Irgendwo ganz tief in der Erde, wo sich das Wasser mühsam seinen Weg nach oben sucht. Solche Quellen liebt der Mönch, weil sie verborgen sind, und das Wasser, das daraus sprudelt, rein ist. Eine klare Quelle. "In jedem von uns ist eine Quelle, eine Quelle des Heiligen Geistes", sagt er, macht dabei eine halbe Kreisbewegung mit seinem rechten Arm, während die Kuppen von Dauen und Zeigefinger zusammengedrückt sind. Eine Gestik ähnlich der von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wenn diese beispielsweise versucht zu erklären, dass die Gesundheitsreform so schlecht nun auch wieder nicht ist. Nur guckt der Mönch dabei nicht so traurig wie Frau Merkel. Im Gegenteil. Der Mann, der auf der Bühne in der Aula der Prümer Wandalbert-Hauptschule steht, dabei in über 1000 erwartungsvolle Augenpaare blickt, wirkt freundlich, entspannt, natürlich. Ist ja auch kein Politiker, wobei: Erfahrungen im politischen Gemeinderat habe auch er gesammelt. Drei Jahre lang. "Aber das war für mich eher ein Energieräuber", fügt Anselm Grün hinzu, grinst dabei und schließt damit den kurzen Ausflug in die Kommunalpolitik ab. Denn trübe Quellen, aus denen auch Politiker oft schöpfen und in denen mehr Energie verbraucht als freigesetzt wird, kennt der Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach zur Genüge. Anselm Grün steht am Pult, dort wo Prüms Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy ihn zu Beginn der Eifel-Literatur-Festival-Lesung begrüßt hatte, und wo Organisator Josef Zierden den Mönch, der in 30 Jahren über 300 Bücher geschrieben hat, dessen Eltern ebenfalls aus der Eifel stammen, und der beim Eifel Literatur Festival 2008 aller Voraussicht nach wieder dabei sein wird, als "Popstar unter den Klostermännern" bezeichnete. Schließlich sei bei keiner Veranstaltung in der Geschichte des Festivals die Nachfrage "so stark, so leidenschaftlich gewesen wie bei Anselm Grün". Der Theologe und Betriebswirt liest nicht, sondern trägt frei vor. Ohne Manuskript und ohne die Absicht, an ihn gestellte Erwartungen erfüllen zu müssen. Denn genau dieser Druck, dieses Bedürfnis nach Perfektionismus sei einer der vielen Gründe, warum sich viele der Menschen, denen er in Seminaren und bei Vorträgen täglich begegne, erschöpft fühlten. Egal ob Manager, Krankenschwester, Hausfrau oder Glaubensbruder. Der Pater selbst "wollte als Kind immer Maurer werden". Jetzt baue er mit seinen Büchern "ein Haus aus Wörtern, in denen Menschen sich wohl fühlen". Das Haus, das der Pater an diesem Abend in Prüm errichtet, ist nach knapp einer Stunde bezugsfertig. Jeder aus dem bunt gemischten Publikum darf dort rein, um abschließend in einer zweiminütigen Meditation mit Gebet sein eigenes Zimmer zu suchen - "den inneren Raum der Ruhe, in dem niemand außer mir Zutritt hat", erklärt der Geistliche.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort