Überschall am Vibrafon

Ein verspätetes, aber höchst gelungenes Geburtstagsgeschenk des Mosel-Musikfestivals zum 100. Geburtstag von Lionel Hampton im April: Die vom Trierischen Volksfreund präsentierte "Golden Swing Night" im Innenhof des kurfürstlichen Palais zelebrierte vor 600 Besuchern den Zauber des legendären Bandleaders und Vibrafonisten.

Trier. Es gibt Musiker, die spielen schneller, als man hört. Der Vibrafonist Martin Breinschmid ist so einer. Das Tempo, mit dem er sein Schlag-Instrument bearbeitet, wird allenfalls von seiner Eleganz und seiner Stilsicherheit übertroffen. Die kunstvollen Tonkaskaden überrumpeln den Zuschauer in Überschallgeschwindigkeit und lassen ihn mit dem staunenden Gefühl zurück, einem Zauberkunststück beigewohnt zu haben. "Phänomenal", kommentiert mein Sitznachbar, und er muss es wissen: Der Trie-rer Edgar Bösen hat als Bandleader "Alb Hardy" schon Vibrafon-Weltmeister begleitet.

Aber Breinschmid ist nicht nur ein virtuoser Hand-Werker, wie er bei "Overtime" oder "Avalon" beweist - Hampton-Klassiker, deren Namen nicht unbedingt bekannt sind, deren Melodien aber jeder kennt. Bei "Stardust" etwa entpuppt er sich darüber hinaus als gefühlvoller, eigenständiger Interpret.

Die Weltklasse-Leistung des 38-jährigen Wieners in der zweiten Hälfte des Konzerts macht einen Abend zum Erlebnis, der bis dahin durch gediegenes, ausgefeiltes, aber nicht unbedingt mitreißendes Musizieren geprägt worden ist. Sehr edel präsentiert die österreichische "Original Swing Time Band" den klassischen Sound der 30er Jahre von Glenn Miller über Tommy Dorsey bis Harry James - aber auch a bisserl brav. Das Konzept besteht nicht darin, die Titel mit neuem Leben zu erfüllen, sondern sie mit akkurater Genauigkeit nachzuspielen. Letzteres gelingt brillant, aber der Charme der 17 exzellenten Musiker hat einen leicht musealen Touch.

Instrumental bewegt sich das komplette Ensemble durchweg auf hohem Niveau, vorneweg der Dirigent und Trompeter Manfred Stoppacher. Harry James' anspruchsvolles "Concerto for trumpet" schließt er mit einem makellosen hohen D ab. "Das können nicht viele Trompeter", sagt Edgar Bösen, und auch das muss er wissen, ist die Trompete doch sein eigenes Instrument.

Der unüberhörbare Respekt vor den Giganten des Swing scheint anfangs auch Gast-Sänger Lothar Stadtfeld zu hemmen. Fast zurückhaltend wirkt er beim Evergreen "The Lady is a tramp" und Stevie Wonders "You are the sunshine of my life", trotz der Heimspielkulisse mit zahlreichen Besuchern aus seinem Heimatort Neumagen-Dhron, an der Spitze Bürgermeisterin Christiane Horsch. Aber spätestens bei "You make me feel so young", aus zahllosen Filmen als Soundtrack bekannt, hat sich der Star des Berliner Friedrichstadt-Palastes freigesungen, und später am Abend liefert er Improvisationen ab, die ihn als Sänger der ersten Kategorie ausweisen.

Da hat der Abend längst abgehoben. Bei den Hampton-Klassikern "Hamp's Boogie" und "Flying Home" (als Zugabe) entfacht Martin Breinschmid atemberaubende Duelle, vor allem mit seinem Schlagzeug-Kollegen Gehard Bergauer, und das etwas behäbige Publikum groovt sich auf die Swing-Rhythmen ein. Am Ende hätte man gerne noch mehr gehört. "Die 35 Euro für die Karte hätte ich nicht besser anlegen können", sagt Edgar Bösen. Und er muss es bekanntlich wissen.

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