Abschied vom Glück

LUXEMBURG. Mit "La Clemenza di Tito" hatte das "Grand Théâtre" die wahrscheinlich schwierigste Oper des Komponisten auf den Spielplan gesetzt. Aber die Coproduktion mit den Festspielen in Aix-en-Provence erwies sich als glänzendes Entree ins Mozart-Jahr.

Mozarts späte Opera seria "La Clemenza di Tito" - eine Arbeit mit der linken Hand, eine mutlose Reverenz ans österreichische Königshaus, ein leiser Abgesang? Die Co-Produktion von Aix-en-Provence und Luxemburg im "Grand Théâtre" des Großherzogtums demonstriert das genaue Gegenteil: Wieviel Leben, wieviel Emotion steckt in dieser Oper! Und vor allem: wieviel Musik! Regisseur Lukas Hemleb verzichtet klug auf Mätzchen und Situationskomik, aber auch auf die Statik, die Mozarts später Meisteroper meist tödliche Langeweile beschert. Er inszeniert ein Kammerspiel, ein Sextett von Freunden, die Freunde verraten, und Gegnern, die sich versöhnen. Janet Joyets Bühnenbild sucht trotz der klassizistischen Stilzitate nicht die imperiale Fassadenwirkung, sondern beschwört Intimität. Und da entfalten sich die Charaktere, die Mozart leise und doch deutlich ausprägt - szenisch und musikalisch. Gerade in der Musik ist diese Produktion ein Glücksfall. Unter Alain Altinoglus präzisem Dirigat entwickelt die Berliner "Akademie für Alte Musik" Akzentreichtum, Spannung, Dramatik jenseits allen neutralen Schönklangs - und andererseits wunderbar lyrische Ruhepunkte. Herrlich, wie sich im zweiten Akt Oboe und danach Fagott sacht einschleichen, wie die herrliche Bassettklarinette den Orchesterklang Farbe gibt. Gelegentlich nimmt Altinoglu das Tempo so weit zurück, dass einem um die Sänger bange werden kann. Aber die grandiose Marie-Claude Chappuis als Sesto hat den großen Atem für solch weite Bögen. Und auch die übrigen Rollen sind mit der leidenschaftlich-exaltierten Eva Jenis (Vitellia), mit Amel Brahim-Djellouls hellem Sopran (Servilia), mit Stéphanie D'Oustrac (Annius) und dem klangvollen Simon Kirkbridge (Publio) hervorragend besetzt. Dazu der ungemein kultivierte, stimmstarke Arnold-Schönberg-Chor aus Wien. So behält die Musik ihr mozartisch Betörendes und gewinnt dabei dramatische Prägnanz. Mit Kresimir Spicer wirkt die Titelrolle zunächst blass. Aber der Sänger, der nicht mit tenoralem Glanz, sondern mit lyrischer Intensität besticht, entwickelt die Figur zu einem zerrissenen, zwiespältigen Menschen, der schwankt zwischen politischer Aufgabe und persönlichen Wünschen. Und wenn Spicer dann in der dritten Arie koloraturenstark diesen Zwiespalt verkündet, dann hat sich die "Clemenza di Tito" endgültig von aller Edelblässe verabschiedet. Sogar auf die abschließende Versöhnung, die so repräsentativ-harmlos wirkt, fällt ein Schatten. Während die Liebespaare ihr Glück kaum fassen können, lehnt sich der Kaiser gegen eine Säule - einsam, betroffen, ratlos. Macht bedeutet Verzicht. Titus hat den Traum vom glücklichen Herrscher ausgeträumt. Weitere Vorstellungen am 11. und 13. Oktober, jeweils 20 Uhr. Karten: (00352) 4708951

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