Abschied von der Käseglocke

LUXEMBURG. Seit dem 31. Juli 2004 sind Kulturminister François Biltgen und Octavie Modert, Staatssekretärin im Ministerrang, im Amt. Im Gespräch skizzieren sie die Entwicklungslinien der künftigen Kulturpolitik im Großherzogtum.

Frau Staatssekretärin, Herr Minister, es hat nach den Wahlen einen Personalwechsel gegeben. Sie sind neu im Amt. Ist damit auch ein Politikwechsel verbunden?Biltgen: Es ist kein Politikwechsel. Wir sind beide angetreten, um die erfolgreiche Politik von Frau Hennicot-Schoepges und ihren Vorgängern weiterzuführen. Wir wollen Luxemburgs Kultur ein eigenes Gesicht geben. Wenn man die Entwicklung der luxemburgischen Kultur in den letzten 15 Jahren betrachtet, dann fällt eine immense Expansion auf. Was ist Ziel dieser Expansion?Modert : Aufholbedarf. Wir haben in der kulturellen Infrastruktur all die Jahre großen Nachholbedarf gehabt. Erinnern Sie sich an Luxemburg vor 20 Jahren!Biltgen: Wir werden sicherlich nicht weiterhin neue Bauten hinstellen, aber nicht, weil wir eine andere Kulturpolitik betreiben, sondern weil wir meinen, dass wir genug in die Steine investiert haben. Unsere Herausforderung wird jetzt sein, die Infrastruktur mit Leben zu erfüllen.Modert : Es geht nicht um Prunkbauten ... ... sondern um das Leben darin. Den Inhalt, auch um eine kulturpolitische Konzeption?Modert : Ja, zweifellos. Beispielhaft dafür sind die Theater. Das Nationaltheater mit Frank Hoffmann zum Beispiel hat ein eigenes Repertoire, und unter Frank Feitler hat das "Grand Théâtre" die eigenen Produktionen ausgebaut.Biltgen : Es ist ist wichtig, dass wir beides haben: Gastspiele und eigenes Repertoire. Dann können wir Stücke von unterschiedlichem Charakter vorstellen - klassisch und experimentell. Damit haben wir die Luxemburger Theaterszene vorangebracht. Was wir nicht wollen, offen gesagt, ist ein "Landtheater", das nur Repertoire anbietet.Modert : Wir wollen eigene Ideen, jedoch nicht eine Theaterkultur unter der Käseglocke, ohne Impulse von außen. In der Philharmonie haben Sie eine ähnliche Aufgabenstellung.Biltgen : Dafür gibt es ja die unterschiedlichen Säle- den großen Saal, den Kammermusiksaal und das elektro-akustische Studio. Die sollen ein unterschiedliches Publikum ansprechen. Wir wollen nicht nur klassisches Repertoire anbieten, sondern auch Experimentalmusik. Und dafür gibt es in Luxemburg Komponisten mit internationalem Ruf. Intendant Matthias Naske hat in der Philharmonie 200 Konzerte pro Jahr angekündigt. Modert : Wie viele Konzerte gibt es denn im Metzer Arsenal? Natürlich wird die Philharmonie auch Musikfreunde jenseits der Grenzen anziehen, so wie heute schon Luxemburger nach Trier, Metz oder Arlon gehen. Wir wollen keine Abschottung, weder bei den Programmen noch beim Publikum. Gleichzeitig wird die Infrastruktur und das Know-how der Philharmonie, in enger Zusammenarbeit, den bestehenden Kulturschaffenden und -festivals einen neuen Rahmen bieten. Aber diese Expansion löst bei anderen Veranstaltern Ängste aus: Die Philharmonie kommt, und wir können nichts machen.Biltgen : Wir haben zwei große Herausforderungen: Koordinierung und Darstellung. Was fehlt im Land, ist Koordinierung, das ist ein Problem, das wir auch als Politiker lösen müssen. Die Angebote müssen aufeinander abgestimmt werden. Wir müssen außerdem ein inländisches Kulturpublikum aufbauen. Und überdies sind wir Teil einer Großregion und wenden uns auch an das Publikum in dieser Großregion. Die grenzübergreifende Kulturarbeit in der Großregion beruht meist auf Einzelleistungen. Es entsteht der Eindruck, dass es beim Projekt Kulturhauptstadt 2007 noch nicht so recht läuft mit der Koordination. Was kann die Politik tun, um grenzüberschreitende Kultur-Aktivität auf eine sichere Grundlage zu stellen?Biltgen : Das ist ja die Herausforderung von 2007. Das Projekt ist jetzt in der Aufbauphase, das muss man einfach wissen, aber es zeichnen sich auch schon positive Auswirkungen ab. Ich bin überzeugt, wenn 2007 ein Erfolg wird, was ich hoffe und wofür wir arbeiten, dann haben wir Dinge, die auch nach 2007 bestehen bleiben. So war es beim Kulturjahr 1995. Es gab sehr viele Mängel in der Organisation, aber was ist geblieben: einfach eine Aufbruchstimmung. Und so bin ich der Überzeugung, sogar wenn das Projekt 2007 Mängel hat, die wir natürlich bekämpfen müssen, wird es in der Großregion eine kulturelle Dynamik hervorrufen.Modert : Man darf nicht vergessen, dass es eine Entscheidung auf politischer Ebene war, das Konzept der Kulturhauptstadt 2007 von Luxemburg auf die gesamte Großregion auszudehnen und gleichzeitig Rumänien mit Sibiu zu assoziieren. Dafür haben sich die Kulturministerin und die vorherige Regierung vehement auf europäischer Ebene eingesetzt. Die Fragen stellte unser Redakteur Martin Möller

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