Akustische Glücksgefühle

TRIER. (DiL) Trier-Premiere für eines der erfolgreichsten Chorwerke der letzten Jahre: Im Dom wurde die Kindermesse "Mass of the Children" von John Rutter aufgeführt. Den 300 Mitwirkenden gelang ein Konzert, das das Publikum begeisterte.

Warum das 2003 in New York uraufgeführte Werk des englischen Komponisten binnen kurzer Zeit einen Siegeszug um die Welt angetreten hat, demonstrierten die beteiligten Chöre und Musiker der Blandine-Merten-Realschule und des Angela-Merici-Gymnasiums eindringlich. Rutter ist kein großer Innovator, aber ein begnadeter Melodiker, der Musical-Elemente, sinfonische Klänge, klassischen Chorgesang und filmmusikalische Effekte gekonnt melangiert. Dabei kommt ihm zugute, dass er die Grenzlinie zum Kitsch beherzt auslotet, aber nie überschreitet. Seine Musik dringt ins Gemüt, ohne dabei nur noch gemütlich zu sein. Vor allem der Einsatz der Kinderchöre geht ans Herz - wie man auch bei einem Blick in die komplett gefüllten Kirchenbänke des Doms unschwer feststellen konnte. Damit die Musik so wirkt, muss sie freilich gekonnt wiedergegeben werden. Bei 150 Kindern, 100 erwachsenen Chorsängern und einem 50-köpfigen Orchester - allesamt Schüler und Eltern zweier Schulen, mithin lupenreine Laien - kann sich das als Himmelfahrtskommando erweisen. Aber dem Leitungs-Duo Ulrich Krupp und Agnes Kraemer gelingt ein Doppel-Dirigat, das Sensibilität, filigrane Rhythmik und behutsame Genauigkeit wunderbar miteinander verbindet. Beeindruckend die präzise, beredte Zeichengebung, vor allem beim Kinderchor. Wenn sich der breite, aber nie breiige Klang von Chor und Orchester mit dem - für den Kirchenraum wie geschaffenen - ätherischen Mezzosopran der Solistin Cornelia Langhals vereinigt, werden akustische Glücksgefühle freigesetzt. Schade, dass Jens Pokoras flacher Bariton dagegen deutlich abfällt. Der Erwachsenen-Chor agiert souverän und sattelfest, selbst im "Gloria", wo Krupps mutige, zupackende Tempi die Grenzen der Möglichkeiten erkennen lassen.Bachs Strenge bricht Rutters Stilvielfalt

Im Wechsel mit den Elementen der Messe erklingen vom anderen Ende des Doms her drei Sätze (ohne die Fuge) aus Bachs Solo-Violinsonate in a-Moll. Man kann sich über die Grundidee streiten. Bachs Strenge bricht Rutters Stilvielfalt, reißt den Zuhörer aus den Stimmungen. Anderseits: Eine Messe ist kein Konzert, und wenn man das kontemplative Violin-Solo als "Ersatz" für die Messe-Handlungen betrachtet, bekommt das Konzept wiederum einen Sinn. Hanna Nottes Violinspiel ist jedenfalls alles andere als ein Ersatz, verrät erstaunliche virtuose Reife und große Finesse in der Herausarbeitung filigraner Kontraste. Man darf auf die weitere Entwicklung der Abiturientin gespannt sein. Unterm Strich ein Konzert, das über die Sphäre normaler Schulmusik weit hinausreicht. Nicht zuletzt dank der spannenden Eröffnung mit Rutters "Variations on an Easter Theme", einer Art Stil-Übung für zwei Orgeln (Josef Still/Ulrich Krupp). Da schlägt Rutter über den Choral "O filii et filiae" einen breiten stilistischen Bogen, der von Last-night-of-the-proms-Pomp über Minimal Art und Folk-Elemente bis hin zu den Klang-Kaskaden eines Keith Emerson reicht. Schade eigentlich, wenn ein mit so viel Mühe erarbeitetes Programm nur einmal dargeboten würde.

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