"Alle Männer brauchen Therapie"

BERLIN. Nach dem international gelobten Film "Die Unberührbare" und dem Komödienflop "Suck my Dick" meldet sich Oskar Roehler mit einem Psychdrama im Kino zurück.

Herr Roehler, ist das Filmemachen für Sie Therapie? Roehler: Nein. Doch, ja. Ja, bestimmt. Wobei Arbeit für mich sowieso Therapie ist. Ich bin an den Beruf des Filmemachers geraten, aber wäre ich Arzt, dann wären die zwölf oder 14 Stunden im Krankenhaus für mich auch Therapie. Ich glaube, alle Männer brauchen Therapie. Frauen sind wesentlich besser dazu in der Lage, sich im Leben einzurichten. Sie arrangieren die Dinge um sich herum mit einer gewissen Natürlichkeit, sie gestalten das Leben lebenswert. Männer sind Fälle für den Therapeuten. Ich nehme mich da nicht aus. Können Sie anhand von "Der alte Affe Angst" den Entstehungsprozess eines Drehbuches kurz wiedergeben? Roehler: Zunächst einmal hat man Interesse an einer ganz vagen Geschichte, einer Idee. Während des Schreibens verdichtet sich alles. Natürlich hat der Film auch etwas mit meiner Lebenssituation zu tun, mit Männern meines Alters, von 35 aufwärts, die sich langsam auf die Midlife Crisis zubewegen. Es geht um Beziehungen und die verschiedenen Konten, die eine solche Beziehung aufweist: Vertrauen, Alltag, Sex, Gewohnheit. Die Schwierigkeiten in einer Beziehung haben sich mit der Zeit herauskristallisiert. Welchen Stellenwert hat der Sex und was passiert, wenn er plötzlich nicht mehr funktioniert? Hat die kindliche Liebe ohne Sex eine Chance? Für mich ist der Film ein Plädoyer, an die Liebe zu glauben. Erleben Sie das Schreiben als emotionalen Prozess? Roehler: Ja, klar. Es gibt Leute, die gehen sehr kalkuliert an eine Sache heran. Für mich ist das Schreiben ein Prozess tiefer innerer Befriedigung. Was man schreiben möchte, hat man bereits recherchiert oder erlebt. Du kreierst einen Kosmos, bist der Schöpfer. Für mich ist das Schreiben der Teil der Arbeit, der mir am meisten Spaß macht. Wie sorgen Sie am Set dafür, dass sich die Schauspieler bei besonders intimen Szenen sicher fühlen? Roehler: Intim sind ja nicht nur die Bettszenen - diese sind eher die leichtere Übung. Man muss eine gewisse Scham überwinden und den Schauspielern klar machen, dass es kein voyeuristisches Interesse ist, das die Szene notwendig macht. Dann stellt sich sehr schnell Vertrauen ein. Sexszenen sind dann sogar zum Teil lustig. Oft ist es makaber, so etwas glaubwürdig nachzustellen. Es ist viel schwieriger, bei psychisch schwierigen Szenen einen gewissen Schutzraum zu schaffen. Das hat etwas sehr Persönliches und ist davon abhängig, wie man sich während des Drehs vertraut und miteinander auskommt. Manche Situationen ufern aus, angestaute Spannungen entladen sich plötzlich. Dann geht es nicht mehr nur um die Hauptfiguren, man selbst steht auch mit drin. Man ist der Dompteur. Und wenn man dann den Biss einer Löwin abkriegt, hat man halt Pech gehabt. Ihr letzter Kinofilm "Suck My Dick" stieß auf ein geteiltes Echo. Stört es Sie, dass Sie das Publikum als Dramatiker mehr zu schätzen scheint denn als Satiriker? Roehler: Ich muss ehrlich sagen, dass ich enttäuscht war. Ich hatte ja schon einmal mit "Gierig" einen Film, den die Leute eher abgelehnt haben. Ich habe es akzeptiert und den Film am Ende selber gar nicht mehr gemocht. Bei "Suck My Dick" hat mich enttäuscht, dass ich so wenige Zuschauer hatte. Dass die Kritik den Film nicht überall gut aufgenommen hat, hätte mich gar nicht gestört. Der Film ist sehr schlecht vermarktet worden. Das war sehr schade, denn ich hatte mich in die Figur des Edgar Selge verliebt. Vielleicht bin ich mit meinem Komödien-Geschmack nicht ganz auf der Linie, vielleicht will das deutsche Publikum etwas anderes haben. Sie haben sich das Privileg erarbeitet, dass nahezu jeder bekannte Schauspieler gern mit Ihnen arbeiten möchte. Hat das nur Vorteile? Roehler: Auf diesen Bonus bin ich sehr stolz, ich freue mich darüber. Ich denke aber auch, dass man oft viel zu wenige der zahlreichen guten Schauspieler, die es gibt, im Kopf hat. Man denkt immer zuerst an die Stars. Wenn ich die richtigen Leute suche, dann spielt so etwas keine Rolle. Leider kann ich nicht durch die Lande reisen, um Schauspieler zu suchen. Ich weiß, dass ich viele gute Leute nie kennenlernen werde. So bleibt immer das Vabanque-Spiel mit den Casting-Leuten, von denen man oft nicht weiß, ob sie einen richtig verstehen. Die Fragen stellte unser Mitarbeiter André Wesche.

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