"Alleine sein ist überhaupt nicht langweilig"

TRIER. Die nächste Premiere der Antikenfesstpiele ist Shakespeares Drama "Julius Caesar". Die Rolle des Mark Anton spielt Ralf Bauer. Der Schauspieler ist seit Wochen für Proben in Trier.

 Kleine Verschnaufpause bei den Proben zu "Julius Caesar": Ralf Bauer im Amphitheater.Foto: Friedemann Vetter

Kleine Verschnaufpause bei den Proben zu "Julius Caesar": Ralf Bauer im Amphitheater.Foto: Friedemann Vetter

Ralf Bauer ist in der Stadt. Das sorgt für Wirbel - man hört von Frauen, die beinahe einen Auto-Unfall bauen, weil sie Ralf Bauer hinterher sehen. Wie lebt es sich mit so viel Aufmerksamkeit?Bauer : Ich war drei Mal im "Havanna" am Viehmarkt, und die Bedienung sagte: "Schon wieder alleine hier? Ist das nicht langweilig?" Nein, überhaupt nicht. Ich bin immer viel alleine gewesen, weil ich dauernd on tour war. Dass ich auf viele Menschen sympathisch wirke, macht es mir leicht, ins Gespräch zu kommen. Unangenehm wird es beispielsweise bei Betrunkenen, weil dann oft die natürliche Schutzzone überschritten wird. Macht Popularität schutzlos?Bauer: Viele Gespräche, die sich dadurch ergeben, sind sehr interessant. Wenn aber die Intimsphäre angetastet wird, kippt es um. Ich kann Frauen mittlerweile gut verstehen, wie es ist, angemacht zu werden. Schrecklich. Es gibt aber auch amüsante Erlebnisse: Ich habe mal in einem Schloss in Ansbach gedreht. Gleichzeitig hat ein Bus mit älteren Damen dort Station gemacht. Plötzlich hat mir jemand an den Hintern gefasst - eine der Damen. Da musste ich natürlich lachen. Sie werden seit Jahren mit positiven Attributen überschüttet: schön, erotisch, athletisch, sportlich. Hat Sie das verändert?Bauer : Seit den Dreharbeiten für die Serie "Gegen den Wind" kursieren diese Schlagworte in der Presse. Und einer hat dann vom anderen abgeschrieben. Ich bin also von Anfang an daran gewöhnt. Was haben die Reporter nicht alles über Jenny Elvers geschrieben - meistens degradieren sie sich damit selber. Jenny Elvers hat ja auch noch nicht so viel gesagt.Bauer : Das wurde auch schon über mich gesagt. Deshalb bin ich mit solchen Behauptungen immer sehr vorsichtig. Man wird ganz schnell auf etwas reduziert, was man nicht ist. Während eines Interviews sagte eine Dame einmal zu mir, ich rezitierte Schillertexte, weil ich ein Gegengewicht zu meiner Vorabend-Serie "Gegen den Wind" setzen wolle. Dabei habe ich schon meine Kollegen in der Schauspielschule genervt, weil ich immer Schiller rezitiert habe. Das ist einfach ein Teil von mir. Es ist nicht schön, sich rechtfertigen zu müssen. Bauer : Nein, ich rechtfertige mich nicht. Ich versuche, immer alles so gut wie möglich zu erklären. Und bestimmte, immer wiederkehrende Situationen haben Menschen wie Schiller schon vor hunderten von Jahren in eine wunderbare sprachliche Form gebracht - man kann sie nicht besser ausdrücken. Deshalb rezitiere ich. Um noch einmal auf die Attribute zurückzukommen: Am Anfang meiner Karriere haben sie mir natürlich geschmeichelt. Aber je älter man wird, desto mehr spürt man, dass es nur um Äußerlichkeiten geht, die sehr vergänglich sind, und man bekommt Sehnsucht nach dem Sinn des Lebens. Diese Attribute haben mit mir nur insofern zu tun, als die Menschen mich so empfinden. Ein bisschen bin ich allerdings an diesem Image selber schuld. Für den Kino-Film "Workaholic" habe ich damals, 1996, sehr viel Promotion gemacht. Ich ließ mich für die Titelseiten einiger Zeitschriften mit nacktem Oberkörper fotografieren. Ich habe das mit mir machen lassen, deshalb bin ich darüber auch nicht sauer. Sie sollen mal gesagt haben "Ich bin melancholisch".Bauer: Ich weiß nicht, ob ich das gesagt habe, aber ich fühle mich der Melancholie zugehörig. Das macht aber nichts. Das bringt mich zum Nachdenken und zur Selbstreflexion. Warum gefallen mir Schillerfiguren? Weil sie sehr melancholisch sind - aber gleichzeitig unheimlich viel Kraft haben. Seit 1997 engagieren Sie sich für Unicef. Was sagen Sie zu dem Satz: Man hilft nie nur um des Helfens Willen?Bauer : Am zweiten Weihnachtstag 1998 ist ein Orkan über Baden-Baden hinweg gegangen. Lothar. Er hat die Stadt eingeschlossen, jede Einfahrt war durch Bäume blockiert. Ein Freund und ich sind zur Tankstelle gefahren, haben uns Abschleppseile besorgt und eine Ausfahrt frei geräumt. Eine Autofahrerin hat uns aus Dankbarkeit einen kleinen Christstollen geschenkt. Das war ein immens schönes Gefühl. Wenn man hilft, sieht man einen Sinn im Leben. Wie wichtig sind Ihnen Werte? Bauer : Sie sind aus mehrerlei Gründen wichtig. Wenn es mir irgendwann ganz dreckig gehen sollte, wäre ich froh, wenn mir jemand was zu essen geben würde. Ich versuche, mehr und mehr Mitgefühl zu entwickeln. Sie spielen bei den Antikenfestspielen den Mark Anton. Ist er ein Freund von Caesar oder nur machtversessen? Bauer : Am Schluss, als Brutus gestorben ist, sagt Mark Anton: "Dies war der beste Römer unter allen." Er macht zwei Wandlungen durch. Als sein Freund Cäsar ermordet worden war, hatte er Rachegelüste. Am Schluss ist es anders. Als einer der Herren gefangen genommen wird, sagt er: "Verwahrt ihn wohl und erweist nur Gutes ihm, möchte lieber zu Freunden solche Männer haben als zu Feinden." Er kehrt zum Menschlichen zurück und erkennt, dass Blutvergießen nicht das Ende aller Dinge ist. Ich denke, dass er Caesar liebt. Das zeitlose Shakespeare-Drama könnte man problemlos ins 21. Jahrhundert übertragen: Verbündete werden zu Feinden - in Firmen beispielsweise… Bauer : …oder Beziehungen. Wenn Paare sich trennen. Zwischen Menschen, die einmal aus großer Liebe sogar Kinder gezeugt haben, entsteht manchmal ein unglaublicher Hass. Es geht immer um das Ego. Aber es ist ein Naturgesetz, dass wir alles, was wir säen, eines Tages auch ernten werden. Alles, was man selber verursacht, wird wie ein Bumerang zu einem zurückkommen. Man trifft jeden zwei Mal im Leben. Glauben Sie daran? Bauer : Ja, daran glaube ich. Jede Religion vertritt solche Thesen, und sie haben immer noch Bestand. Besonders der Buddhismus, weil er moderner ist. Jeder ist auf der Suche nach dem Sinn und nach dem Glück. Sind wir zu anspruchsvoll? Bauer : Wenn ich in Rumänien bin, treffe ich oft glücklichere Menschen als hier. Wenn man eine Formel aufstellen müsste, könnte man sagen: Je mehr jemand besitzt, desto unglücklicher wird er. Das habe ich schon am eigenen Leibe erfahren. Ich beobachtete kürzlich einen Schuljungen, der einem Bettler sein Schulbrot und seinen Apfel gegeben hat. So etwas freut mich. Das gibt mir Hoffnung. Das Gespräch führte unsere Redakteurin Birgit Markwitan Aufführungen von Julius Caesar im Amphitheater Trier am 11., 12., 13. u. 16. Juli, 20.30 Uhr; Karten: 0651/718-1818.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort