Kultur Alles Liebscher oder was ?

Bitburg · Das Haus Beda zeigt die Fotoarbeiten "Familienbilder" des Künstlers Martin Liebscher.

 Selbstdarsteller oder Gesellschaftskritiker? Martin Liebscher vor seiner Fotoarbeit Fifa Boardroom Zürich.TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Selbstdarsteller oder Gesellschaftskritiker? Martin Liebscher vor seiner Fotoarbeit Fifa Boardroom Zürich.TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Foto: (g_kultur

Bitburg Er ist fraglos ein begnadeter Selbstdarsteller. In Zeiten da Firmen "Fake-Flugzeuge" als Hintergrund für Selfies anbieten, und fast jeder nach Ansicht des amerikanischen Kulturkritikers Christopher Lash über ein halbes Dutzend Medien verfügt, um auch die kleinste Regung unverzüglich der Welt mitzuteilen, liegt Martin Liebscher voll im Trend. Seine Selbstinszenierungen mit Namen "Familienbilder" scheinen geradezu Zeitzeugnisse wie Reflexe einer Kultur des Selfiewahns und der Selbstveräußerung.
Derzeit sind die großformatigen Fotoarbeiten des 1964 in Naumburg an der Saale geborenen Künstlers, der im pfälzischen Speyer aufwuchs und heute in Berlin und Offenbach lebt, im Bitburger Haus Beda zu sehen.
Das gestalterische Prinzip dieser "Familienbilder", die lediglich das eine Familienmitglied Martin Liebscher in zahllosen Variationen zeigen, ist eher schlicht. Die Bildschöpfung dagegen eine kaum vorstellbare Fleißarbeit.
Martin Liebscher besuchte dazu Opernhäuser wie die Mailänder Scala und das Opernhaus Zürich, war Gast in Konzertsälen und reiste zu Sportstadien. Dort besetzte er, jeweils passend gekleidet, im Wortsinn Platz für Platz, stand als engagierter Zuschauer auf Rängen und in Foyers. Sogar in den Board Room der Fifa in Zürich schaffte er es, wo im eher düster anmutenden Ambiente des Raums, den Konferenzteilnehmern die Deckenleuchte wie ein Heiligenschein über dem Kopf schwebt. Selbstredend posierte er auch im Haus Beda. Ein anderes Mal war der Fotokünstler als Schwimmer aktiv oder als Camper.
Von jeder neuen Sitz-oder Stehhaltung, jeder gestischen oder mimischen Veränderung produzierte Liebscher ein Selbstporträt. Zudem fertigte er ein Foto des besuchten Ortes an. Zu Hause am Computer und mit Hilfe von Photoshop bevölkerte der Künstler anschließend seine abgelichteten Bauten und Interieurs, einer Bühne gleich, mit den eigenen Porträts.
Bei den so entstehenden Inszenierungen seiner Bildwelten ist Liebscher gleichermaßen Regisseur und Hauptdarsteller in allen Rollen und Charakterfächern. Ihn deshalb für einen heillosen Narzissten zu halten, der die Welt um die eigene Person inszeniert, ist dennoch zu kurz gedacht.
Dagegen spricht, so paradox das klingen mag, Liebschers Vermassung der eigenen Person. Liebscher ist ein sehr aufmerksamer Beobachter, der genau zu Ort und Ereignis passende, typische Haltungen und Emotionen ins Bild setzt. Wild gestikulieren die Liebschers im Sportstadion. Die Liebschers im Opernhaus sind konzentriert, müde oder gelangweilt.
Auch wenn er selbst Modell steht, Liebschers "Familienmitglieder" sind Typen, austauschbare Mitglieder einer letztlich anonymen Masse. Man kann Liebschers Bilder als kompositorisch gelungene, unterhaltsame Darstellungen allgemein menschlichen Verhaltens verstehen. Eindrücklicher und bedeutsamer ist die Botschaft, die sich auch in diesen exzessiven Selbstinszenierungen lesen lässt.
Die kommunikationswütige Egokultur der "Ichlinge", löscht das private Ich aus und erzeugt am Ende eine anonyme Massengesellschaft. Neben Liebschers Fotoarbeiten sind im Obergeschoss noch einige Arbeiten seiner Studenten zu sehen. Die Bitburger Ausstellung ist nicht nur ansehnlich. Sie liefert auch wichtige Denkanstöße.
Bis 7. Januar, Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 15 bis 18 Uhr, samstags, sonn- und feiertags 14 bis 18 Uhr, <%LINK auto="true" href="http://www.haus-beda.de" text="www.haus-beda.de" class="more"%> , Telefon:06561/96450

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort