Alltag des Einsamen

TRIER. An einen malenden Romanisten und ein eher unbekanntes Kapitel deutsch-türkischer Beziehungen erinnert eine Trierer Ausstellung: Traugott Fuchs.

 Auch Bilder, die naiv wirken, bleiben beredt: "Stadtsilhouette" von Traugott Fuchs.Foto: Katalog

Auch Bilder, die naiv wirken, bleiben beredt: "Stadtsilhouette" von Traugott Fuchs.Foto: Katalog

Die Flucht deutscher Künstler und Intellektueller vor dem Schreckensregime der Nationalsozialisten in Richtung Neue Welt wirkt bis heute nach. Fast vergessen ist indes jene Gruppe von Wissenschaftlern, die in die Türkei emigrierte. Mehr als 100 Gelehrte folgten damals der Einladung des legendären Atatürk, am Aufbau eines modernen Erziehungs- und Hochschulwesens mitzuwirken. Einer jener gelehrten Hundertschaft, die ihre sprichwörtliche Zuflucht am Bosporus fand, war der Romanist Traugott Fuchs. Dem Philologen, der 1934 in die Türkei übersiedelte und dort bis zu seinem Tod 1997 blieb, widmet jetzt die Trierer Galerie Palais Walderdorff eine Ausstellung, die den Maler im Philologen würdigt. Vermittelt hat die Schau der Trierer Kunsthistoriker Bernd Nicolai, der seit Jahren zum Thema "Moderne und Exil" forscht. Auch sonst sind die Bezüge zur Römerstadt eng. Nicht nur, dass Fuchs‘ Neffe Michael als Professor für Architektur an der örtlichen Fachhochschule lehrt. Als ausgewiesener Bauforscher und Mitarbeiter des damaligen Provinzialmuseums hatte sein Onkel Daniel Krencker maßgeblichen Anteil an der Ausgrabung der Trierer Kaiserthermen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Der Berliner Architekt und Archäologe war es auch, der den kunstsinnigen Neffen schon früh zum Zeichnen anhielt.Der Vater verbot, französisch zu sprechen

"Uns Beladne retten die Künste nur." Vielleicht ist jene Gedichtzeile der Schlüssel zur Malerpersönlichkeit Traugott Fuchs. Als der gebürtige Elsässer in Anlehnung an seinen deutschen Dichterkollegen Trakel 1974 seinen "Alltag des Einsamen" schrieb, hatte er schon allerlei Lasten getragen ­ nicht zuletzt die einer relativen Armut, die sich bis zu seinem Tod 1997 in Istanbul noch vergrößerte. Gelitten hat der Wissenschaftler wohl auch von Kindheit an unter der Einsamkeit des Unverstandenen. Der Vater, ein strenger preußischer Pastor im deutsch besetzten Metz, tat sich schwer mit dem Sohn, der die Blumen und die Musik liebte und das elegante Französisch seiner Mutter. Deren melodische Sprache war im kaisertreuen Haushalt von Pfarrer Karl Fuchs verboten. Zurück in Deutschland, im thüringischen Schmalkalden, wurde der sensible Junge nie ganz warm. Noch ein paar Jahre später erfuhr der Student schmerzhaft, wie rassistische blonde Blauäugigkeit seinen gewalttätigen tausendjährigen Traum träumte. Was Wunder, dass Fuchs 1934 als Assistent seinem berühmten Lehrer Leo Spitzer nach Istanbul folgte, wohin der jüdische Gelehrte vor den Nazis geflohen war.Ein Mann im Zentrum zweier Kulturen

Das Exil wurde Fuchs zur lebenslangen Wahlheimat. Als "Mann im Zentrum zweier Kulturen" lehrte der Philologe bis 1983 am Robert College, der späteren Bosporus- Universität, von seinen Kollegen geachtet und von seinen Studenten verehrt. Fuchs‘ Aquarelle und Zeichnungen weisen ihren Autor als jenen schöngeistigen Mann aus, an den sich seine Freunde und Zeitgenossen erinnern. Gerade seine delikaten Landschaften im Obergeschoss der Galerie zeugen von der Sensibilität und Feinsinnigkeit eines Menschen, dem Leben und Natur als Gesamtkunstwerk eins waren. Aber auch Fuchs‘ knappe, abstrakt gezeichnete Miniaturen zeugen vom Talent des Maler-Dilettanten im besten Sinne. Selbst jene Bilder, die naiv und eher unbeholfen wirken, bleiben beredt, vor allem wenn sie Fuchs‘ türkische Umwelt festhalten. Fuchs war Autodidakt. Das mag die Vielfalt der stilistischen Einflüsse in seinen Bildern erklären. Augenfällig ist die Nähe zu den Aquarellen von Hermann Hesse. Mit dem Dichter führte der Wissenschaftler, der auch selbst dichtete und zudem Klavier spielte, einen regen Briefwechsel. Bis 9. Februar, di.-fr. 11 bis 13 und 15 bis 18 Uhr, sa. u. so. 10 bis 13 Uhr.

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