Als der Broadway golden war

Luxemburg · Ein wahrhaft funkensprühender Abend im Luxemburger "Grand Théâtre": Der britische Regisseur Lee Blakeley gastiert mit seiner Inszenierung von "Kiss me Kate" aus dem Pariser Théâtre du Châte let. Das britisch-amerikanische Ensemble sorgt für Begeisterungsstürme im ausverkauften Haus.

 David Pittsinger und Christine Buffle als Fred Graham und Lili Vanessi in „Kiss me, Kate“ im Luxemburger „Grand Théâtre“. Foto: Marie-Noelle Robert

David Pittsinger und Christine Buffle als Fred Graham und Lili Vanessi in „Kiss me, Kate“ im Luxemburger „Grand Théâtre“. Foto: Marie-Noelle Robert

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Luxemburg. In den 1930er und 40er Jahren hatte in Hollywood das Genre der "Backstage movies" Hochkonjunktur: Filme, die hinter die Kulissen des Showbusiness lugten, lockten das Publikum zu Hunderttausenden in die Kinos. Auch am Broadway wollte man auf diese Schlüsselloch-Unterhaltung nicht verzichten. Mit "Kiss me, Kate" schufen Cole Porter und die Librettisten Bella und Sam Spewack das bekannteste Werk dieser Gattung: eine Portion Shakespeare ("Der Widerspenstigen Zähmung"), Knatsch und Küsse hinter der Bühne und vor allem viel Musik und Tanz zwischen Garderobe und Orchestergraben.
Show mit "Wow"-Effekt


Die Inszenierung von Lee Blakeley, im Februar dieses Jahres im Pariser Théâtre du Châtelet präsentiert, ist eine Show mit ziemlich vielen "Wow!"-Effekten: Da wäre zunächst einmal das Bühnenbild von Charles Edwards, eine endlos variable Szenerie, die sich praktisch alle paar Minuten verändert und trotz allen schönen Scheins nicht eine Sekunde verleugnet, dass das alles nur Pappmasché ist. Stahlgerüste, an denen Scheinwerfer hängen, und Eisentreppen im "West-Side-Story"-Look machen den Backstagebereich mit den kühlschrankgroßen Garderoben denn auch nicht gerade zu einem Ort der Gemütlichkeit.
Die Kostüme (Brigitte Reiffenstuhl) umfassen gleich mehrere Dekaden: die prunkvollen Roben aus der Zeit von Shakespeares Adelskomödie, den New Look der 1940er Jahre, sozusagen die "Echtzeit" des Musicals, und die petticoatschwingenden Röcke der Fünfziger.
Und was die Schauspieler/Sänger/Tänzer betrifft, so gießt der Regisseur ein Füllhorn an Ideen aus, die gut und gerne für drei Shows ausgereicht hätten. Die Choreographie (Nick Winston) schafft es irgendwie, die Erdanziehungskraft zeitweise außer Kraft zu setzen und erfindet für die Jungs und Mädels immer neue, schwindelerregende Bilderwirbel.
Lili und Fred, Hauptkampfhahn und -henne alias Petruchio und Katharina, sind mit veritablen Opernkräften besetzt. Das hindert Christine Buffle und David Pittsinger freilich nicht im Geringsten daran, bei allem klassischen Hintergrund gewaltig auf die musicalische Pauke zu hauen und ihren Ex-Ehekrieg sowohl mit stimmlicher Brillanz als auch ziemlicher Hinterfotzigkeit in das Shakespeare-Original hineinzutragen.
Das Buffo-Paar Lois/Bianca und Bill/Lucentio ist für den Swing in der Partitur zuständig: Francesca Jackson, ein blondes Gift à la Jane Mansfield, hat den Sex am Körper und im Kehlkopf, und Matthew Malthouse tanzt sich als spielsüchtiger Schlawiner mit der Statur von Fred Astaire und dem Stil von Gene Kelly letztlich in ihr Herz.
In bester britischer Music-Hall-Tradition dürfen die beiden Ganoven, die am Ende der Show zu eingefleischten Shakespeare-Fans geworden sind, ihre Abstauber-Rollen ausleben. Als Imitation von Oliver Hardy und Stan Laurel, hierzulande besser bekannt als "Dick & Doof", können sich Martyn Ellis und Daniel Robinson kaum von der Rampe und dem Publikum trennen, wenn sie es in immer neuen Volten auffordern, bei Shakespeare nachzuschlagen, um die Frauen rumzukriegen.
Als verlässliche, sowohl arien- als swingtaugliche musikalische Grundierung glänzte das Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter der Leitung von David Charles Abell; beide wurden in den stürmischen Endjubel gleichberechtigt aufgenommen.
Weitere Aufführungen: 18., 19. und 20. Oktober, 20 Uhr. Karten im TV-Service Center Trier und unter Telefon 00352/4708951

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