Alte Kultur trifft Moderne: Chinesisches Ensemble mit "Blooming of time" im Theater Trier

Trier · Mit einem eindrucksvollen Beitrag zum deutsch-chinesischen Austausch hat die Beijing Modern Dance Company ihr Publikum im Trierer Theater begeistert. Die europäische Uraufführung von "Blooming of time" war eine höchst gelungene Synthese aus Tradition und Moderne.

 Ausdrucksstark, bildmächtig, voller Symbolkraft: die Tänzer der Beijing Modern Dance Company beim Auftritt in Trier. Foto: Beijing Modern Dance Company

Ausdrucksstark, bildmächtig, voller Symbolkraft: die Tänzer der Beijing Modern Dance Company beim Auftritt in Trier. Foto: Beijing Modern Dance Company

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Trier. "Äußerlich habe ich die Schöpfung zum Vorbild genommen, und im Innern habe ich den Grund meiner eigenen Seele gefunden." Treffender, als mit den Worten des großen chinesischen Landschaftsmalers Chang Tsao aus dem achten Jahrhundert, lässt sich die Tanztheateraufführung der Beijing Modern Dance Company (BMDC) im Trierer Theater nicht auf den Punkt bringen. Die 24 Sonnenperioden des bereits im alten Kaiserreich gebräuchlichen Kalenders, der das Bauernjahr bestimmte, hat die chinesische Choreographin und Regisseurin Gao Yanjinzi als Tanztheaterstück inszeniert.
Gelungen ist ihr ein großartiges Werk, das eindrucksvoll traditionelle chinesische Kultur und moderne Tanztheaterelemente verbindet. Das mögen auch die über 600 minutenlang stehend applaudierenden Zuschauer so empfunden haben. "Heute geschieht hier etwas ganz Besonderes", freute sich Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe über die europäische Uraufführung und dankte seinem Gast, dem chinesischen Botschafter in Deutschland Chi Mingde für das "wunderbare Gastgeschenk". Kein geringerer als Dichterfürst Goethe hatte bekanntlich schon empfohlen, den Blick nach Osten wie nach Westen zu richten. In Trier wird das schon lange beherzigt. Vielfältig sind die Beziehungen ins Land der Mitte. Neben einer Städtepartnerschaft existieren seit Jahren die angesehenen China Studien an der Universität.
Und auch die Kunst kommt nicht zu kurz. Begeistert erinnerte Intendant Gerhard Weber an das unvergessene Gastspiel des Trie-rer Tanztheaters in der Partnerstadt Xiamen. Die enge Beziehung zwischen Mensch, Natur und Gottheit sowie der Wunsch nach Harmonie darin hat tiefe Wurzeln in der chinesischen Philosophie und Kultur. Allerorts findet sie ihren Ausdruck in der bildenden Kunst und der Literatur. Auch die chinesische Starchoreographin nimmt darauf Bezug. Sie erzählt nicht einfach eine Geschichte vom Wechsel der Jahreszeiten. Ihr "Blooming of time" ist körpergebundene Poesie, die als Körpersprache Bildsprache ist und in Bewegung und Gestik das Wesen der Jahreszeiten veräußert. Es ist eine wunderbar eindringliche Sprache, in der Natur Mensch ist und Mensch Natur.
Gao Yanjinzis Tänzer sprechen mit jeder Faser ihres Körpers und ihrer Seele. Zürnend toben sie bisweilen wie die entfesselte Natur. Bildmächtig bleiben sie auch dort, wo ihre Sprache zart ist, die Bilder fein und still. Aber nicht nur das. Wie im kosmischen Kreislauf ist es auch in der Pekinger Inszenierung das Licht (großartig das Lichtdesign von Li Xin), das nuancenreich Wirklichkeit schafft und Stimmungen transportiert. Wunderbar: der sich im Dunkel als roter Sonnenball drehende Sonnenschirm, den die Tänzer wie Ruderer bewegen. Ein Bild voller Symbolkraft. Überhaupt nehmen diese phantasievollen Bilder mit ihren Baummenschen und Unwettergeistern (Kostüme: Ah Kuan, Zhong Jiani, Requisite: Jia Lei, Jing Haipeng) nicht nur Bezug auf traditionellen Tanz, sondern auch auf die chinesische Oper mit ihrer bunten Märchenwelt.
Einmal mehr treffen sich Ost und West in der Klangwelt der Inszenierung mit feinsinnigen Flöten, dem dunklen, ernsthaften Gong und dem zeitgenössischen Gesang. Wunderbar poetisch gelingt solche Synthese auch dem Bühnenbild von Hu Tijanji und He Long. Traditionelle Landschaftsmalerei trifft darin moderne Videokunst. Am Ende wird es dann ein wenig wie in einer chinesischen Fassung der alten römischen Geschichte von Philemon und Baucis, wenn sich das alte liebende chinesische Paar an den Händen hält und ein neuer Frühling in blühenden Bäumen um sie heranwächst. Ein Sieg der Harmonie und der sich immer wieder aus sich selbst erneuernden Natur.
Wie seufzte Ost-West-Wanderer Goethe: "Und solang du das nicht hast, dieses Stirb und Werde". Herrlich hier zu sehen in seiner chinesischen Version.

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