Altrocker mit neuen Saiten

Wer auf Gitarren-Pop und Country steht, wurde von Mark Knopfler in der Rockhal gut unterhalten. Eingefleischte "Dire Straits"-Fans dürften dagegen von dem Konzert eher enttäuscht gewesen sein.

Esch. Wie viel "Dire Straits" ist (noch) in Mark Knopfler? Das fragten sich am Mittwochabend wohl viele der 6300 Konzergäste in der ausverkauften Rockhal im luxemburgischen Esch. Zweifellos waren die meisten gekommen, um vom Kopf der legendären Band die großen, unsterblichen Hits zu hören.Nun - dieser Wunsch wurde erfüllt, mehr aber nicht. Wo war der unverwechselbare, kraftvolle Gitarrensound von "Sultans of Swing", wo blieben die gefühlvollen, melancholischen Riffs von "Brothers in Arms" und die rauchige Stimme, die in den achtziger Jahren bei jeder Party aus den Boxen hallte? Es scheint, dass es Knopfler zunehmend schwerer fällt, Herzblut für seine alten Songs aufzubringen. Er hat sie tausendfach gespielt, nun nahm er es in Kauf, Silben zu verschlucken und ging - ausgerechnet! - bei seinem Meisterwerk "Brothers in Arms" so grob zu Werke, dass der Gänsehaut-Effekt vollends ausblieb. Dass er es noch kann, bewies der 59-jährige Schotte beim Gitarrensolo von "Telegraph Road" und bei der letzten von vier Zugaben, dem Filmtitel "Local Hero". Da erst kam richtig Bewegung ins Publikum, aber als der Funke hätte überspringen können, war Schluss. "So far away" - die vorletzte Zugabe hatte symbolischen Charakter für den unterkühlten Auftritt an diesem Abend.

Nach seinem gelungenen Soloalbum "Golden Heart" (1996) entfernte sich Knopfler musikalisch immer weiter von den "Dire Straits". Relaxter Gitarrenpop mit Country- und amerikanischer Roots-Musik bildete den Schwerpunkt der Folgealben "The Ragpicker's Dream" und "Sailing to Philadelphia", die in Esch stark auf der Setliste vertreten waren. In einigen Passagen erzeugten die Musiker gar eine kammermusikalische Atmosphäre, die besser zu einem sitzenden Auditorium gepasst hätte. Sich mit Bierbechern zuprostende Grüppchen wurden deshalb auch gleich von andächtig lauschenden Nachbarn mit strengen Blicken ermahnt. Die Schere zum Rock ging bei "Shangri-La", so heißt auch der Titel seines 2004 erschienenen Albums, bis zum Anschlag auseinander. Die Nummer ist so nett und eingängig, dass sie selbst beim Tanztee für Senioren auf Wohlwollen stoßen würde. Wer nach einem anstrengenden Arbeitstag auf kitschig-schöne Melodien steht, damit er besser auf der Couch relaxen kann, der wird das Neue im Alt-Rocker mögen. Knopfler hat neue Fans gewonnen und alte behalten - zumindest finanziell ein Erfolg auf ganzer Linie.

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