Antiker Scherbenhaufen Der Glanz vergangener Tage Bei Abstieg: Trainerwechsel

Der Tag danach: Im Gefolge der Absage der Antikenfestspiele 2009 stellt sich zunehmend heraus, dass auch die weiteren Zukunftsperspektiven des Kultur-Festivals alles andere als gesichert sind. Immer wenn dunkle Wolken über den Antikenfestspielen aufsteigen, meldet sich Heinz Lukas-Kindermann mahnend aus seinem Münchener "Exil" zu Wort.

Trier. Gestern klang das in der offiziellen Verlautbarung des Stadtvorstands noch relativ einfach: Man werde sich, so der Vorschlag von Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink, "inhaltlich und finanziell auf das Jahr 2010 konzentrieren" und so "die Möglichkeit schaffen, mit zusätzlichen Mitteln eine qualitative Steigerung des Programms zu erzielen".

Auf TV-Anfrage präzisierte OB Klaus Jensen die Ankündigung: Es sei "keineswegs möglich", die Zuschüsse der Stadt und des Landes 2009 einzusparen und für das Jahr 2010 "aufzuschlagen". Die Hoffnung auf eine bessere finanzielle Basis gründe sich allein darauf, "mit einem überzeugenden und frühzeitigen Angebot neue Finanziers zu gewinnen".

Deshalb hat Jensen seinen Dezernenten angehalten, nicht nur, wie angekündigt, bis März 2009 ein Programm für 2010 vorzulegen, sondern gleichzeitig "ein durchgreifendes Konzept für einen langen Zeitraum" zu erarbeiten. Ein "qualitativ hochwertiges Konzept" sei "das einzige, was Sponsoren anlockt". Für den Januar hat Jensen zu einem Gespräch mit dem Land eingeladen, um die Möglichkeiten der Unterstützung durch Mainz auszuloten.

Aber auch dort macht man seit langem keinen Hehl daraus, dass man wenig Lust verspürt, den Geldbeutel weiter zu öffnen, wenn Trier nicht sagt, wie es sich die Entwicklung der Festspiele in den nächsten Jahren konkret vorstellt. Eine Art "Erfolgsplan" wird erwartet - nicht nur ein paar wolkige Ankündigungen über geplante Einzel-Produktionen.

Derweil regen sich aber auch Unterstützungs-Angebote. Die Initiative Region Trier (IRT) hatte schon letzte Woche zu einer informellen Krisensitzung im kleinen Kreis geladen. Die Industrie- und Handelskammer sucht das Gespräch, Moselmusikfestival-Intendant Hermann Lewen hält eine Kooperation etwa bei der Nutzung der Spielstätte im Palais-Innenhof an der Rückwand der römischen Basilika für möglich - eine neue Variante, wären hier doch durchaus Schauspiel-Produktionen mit vertretbarem Aufwand denkbar.

Vielleicht kommt ja auch jemand auf die Idee, für die Erarbeitung eines Zukunftskonzepts privatwirtschaftlich-kulturellen Sachverstand aus der Nachbarschaft heranzuziehen: Im Merziger Opernzelt sitzt ein Veranstalter, der mit einem Bruchteil der in Trier aufgewendeten öffentlichen Mittel seit Jahren ein ebenso hochwertiges wie publikumsträchtiges Festival-Programm auf die Beine stellt.

Trotz aller Unwägbarkeiten ist OB Jensen optimistisch, "dass ein Neuanfang für die Festspiele möglich ist". Das sei aber nur denkbar, wenn auch die Kritiker der aktuellen Situation mit ins Boot kommen. Deren konstruktive Beteiligung sei "auch eine Nagelprobe, wie ernst sie es mit den Antikenfestspielen meinen." So waren einst die Antikenfestspiele: 1998 mit einem minimalen Budget aus der Taufe gehoben, etablierte sich das Festival rasch dank großer Namen. Zur Eröffnung kamen Peter Ustinov, Hildegard Behrens und Anja Silja, später gastierten Gesangs-Stars wie René Kollo, Karan Armstrong oder Kathleen Cassello. Im Rahmenprogramm gaben hochkarätige Künstler wie Martha Mödl, Kurt Moll, Cornelia Froboess, Hanna Schygulla, Julia Stemberger, Werner Schneyder und Christian Quadflieg ihre Visitenkarte ab. Auch Pop- und Musicalgrößen wie Angelika Milster, Gitte Haenning oder Elke Sommer gehörten zum Angebot. Gespielt wurde anfangs sogar auf drei Bühnen parallel: Neben Amphitheater und Kaiserthermen war auch die Porta Schauplatz des Festivals. Orchester wie die Luxemburger Philharmoniker, die Münchener Symphoniker, das Savaria Baroque Orchestra oder die Lothringische Philharmonie musizierten. Organisatorisch gab es freilich auch allerlei Chaos, und viel Ärger hinter den Kulissen. Überregional war den Festspielen aber ein Echo beschieden, das in den letzten Jahren allenfalls noch mit der Oper "Attila" erreicht wurde. (DiL) Trier. (DiL) Heinz Lukas-Kindermann, Regisseur, Intendant, Impresario, Enfant terrible, Verwaltungsschreck, Improvisationskünstler. "Sein" Antikenfestival beschäftigt ihn noch heute, viereinhalb Jahre nach dem unfreiwilligen Abschied.

Ein "unglaublicher Skandal" sei das, der "sprachlos" mache - so kommentiert er die aktuellen Meldungen. Gerade habe er mit ehemaligen Festspiel-Stars telefoniert, erzählt er, die seien "tief erschüttert" über das vorläufige Ende. "Sind die Trierer verrückt geworden?", habe Anja Silja gefragt, und René Kollo halte es für "absurd und schade, wenn man ein solches Erfolgs-Konzept nicht weiter verfolgt". Auch Franz Grundheber, der gebürtige Trierer, habe "nicht das geringste Verständnis für diese Entwicklung".

Für Kindermann ist klar, "dass man mit Leuten, zu denen man kein Vertrauen hat, nicht mehr weitermachen kann". Das sei "wie beim Fußball: Wer absteigt, muss den Trainer wechseln". Wen er genau meint, ob Dezernenten oder Intendanten, lässt der inzwischen 69-Jährige auch auf Nachfrage offen.

Aber eines scheint klar: Der ehemalige Coach stünde für den Kampf um den Wiederaufstieg wohl zur Verfügung - wenn ihn denn jemand riefe.

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