Auf Entdeckungsreise

TRIER. Es ist fast zwei Jahre her, dass der Sänger Jens Förster in der Trierer Tufa seine CD "Phoenixfedern" präsentierte. Seither war er mit dem gleichnamigen Programm in ganz Deutschland unterwegs, unter anderem mit einer eigenen Ausgabe für die Landesgartenschau. Zum Ende kam er noch einmal in die Tufa zurück.

Seinerzeit war es der Große Saal der Tufa, und der Chansonnier trug schwarz. Diesmal blieb der Rahmen mit dem Kleinen Saal bescheidener, aber nicht nur das goldglänzende Hemd, die weiße Hose und die sorgfältig abgestimmten Slipper im Schlangenleder-Look zeigten eine etwas vergnügter aufgelegten Künstler. Förster 2004 setzt mehr Ausrufezeichen, inhaltlich, aber vor allem musikalisch. Dafür sorgt schon Stefan Scheib am Kontrabass, der Försters versierten Pianisten Norbert Lauter ergänzt. Scheib rupft, zupft und schlägt sein Gerät, dass man Mitleid mit den Saiten bekommen möchte, aber er raut damit den Klang auf, setzt Widerhaken, sorgt für neue Nuancen in der ohnehin breiten Farbpalette des Bremer Psychologie-Professors, der seine Wurzeln immer noch im Trierer Theater "Tête-à-tête" hat. Man muss weithin suchen, um ein vergleichbares Programm zu finden: Von Glucks Opernarie "J'ai perdu mon Eurydice" (die ohne Mikro sicher besser klänge) über Schubert, Brecht/Weill bis hin zu Patti Smith oder Barbara: Förster ist ein Entdeckungsreisender, und was er ausgräbt, lädt zur genaueren Inspektion ein. Man könnte eine ganze CD-Sammlung aus dem zusammenstellen, was er dem Vergessen entreißt. Zum Beispiel Harry Nilsson, den genialen amerikanischen Sänger, der seinen Welterfolg "Without You" nie verkraftete und sich mit 53 zu Tode soff. "Don't forget me" erzählt von Liebe über Alter und Krankheit hinaus, und passt wunderbar zu Brels "Chanson der alten Liebenden" und "My Madrigal" von Patti Smith. Gerade Letzteres klingt so faszinierend, dass man sich wünscht, Förster würde auch noch den kleinen musikalischen Schritt weiter gehen und sich mal an Tom Waits versuchen. Faszinierend auch, wie Förster manche Stammgäste seiner Programme immer neu interpretiert: "Ne me quitte pas" klingt wieder ganz anders als beim letzten Mal, und Weills "Surabaya Johnny" hat noch nie so eindrucksvoll-zurückhaltend seine Liebste versetzt. Auf Conférencen und schräge Anekdoten verzichtet "Phoenixfedern" ganz. Als roter Faden zieht sich Ingeborg Bachmanns Gedicht "Erklär mir, Liebe" durch den Abend, facettenreich gelesen von Katharina Bihler. Aber ein bisschen mehr vom Kommunikations-Künstler Förster, von seinen skurrilen Geschichten würde man sich denn doch manchmal wünschen. Das nächste Programm soll, wie man hört, den schönen Titel "Paarhufer sind selten allein" bekommen. Das klingt doch schon ganz viel versprechend.

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