Auf neuem Gleis

Das Trierer Theater erobert wieder einmal einen neuen Spielort. Das Stück "Festung Europa" des Belgiers Tom Lanoye wird im Trierer Bahn-Ausbesserungswerk gespielt. Das Publikum rollt vom Hauptbahnhof aus per Zug auf den Schauplatz des Geschehens.

 Schauspieler zwischen den Zügen des Ausbesserungswerks auf der Suche nach ihrem Stück: Tim Olrik Stöneberg, Paul Steinbach, Hans-Peter Leu (von links). TV-Foto: Friedemann Vetter

Schauspieler zwischen den Zügen des Ausbesserungswerks auf der Suche nach ihrem Stück: Tim Olrik Stöneberg, Paul Steinbach, Hans-Peter Leu (von links). TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Der belgische Autor Tom Lanoye gilt als einer der spannendsten seiner Generation. Der Antwerpener ist einer der wenigen, die sich künstlerisch mit den großen Umbrüchen in einem vereinten (?) Europa beschäftigen. "Festung Europa", sagt Chefdramaturg Peter Oppermann vom Theater Trier, sei freilich im Grunde genommen "gar kein wirkliches Stück", sondern eine "Ansammlung von Dialogen, Pamphleten, Karikaturen und Provokationen". Sechs Personen diskutieren, fabulieren, deklinieren das Thema Europa durch. Das Ausbesserungswerk empfindet Oppermann als Spielort mit "spannender Symbolik" von Abstellgleisen und Sackgassen. Dass von frisch gewarteten und reparierten Zügen auch so etwas wie Aufbruchstimmung ausgehen könnte, ist in der Trierer Produktion offenkundig nicht zu erwarten. Hohe Anforderungen an die Schauspieler

Das Konzept des Wiener Regisseurs Ali M. Abdullah stellt heftige Forderungen an das Schauspieler-Sextett. Sie sollen ihre Rollen selbst kreieren, statt "herkömmlich Figuren nachzuempfinden", sagt der Regisseur, dessen Studio-Produktion "Hörst du mein heimliches Rufen" im letzten Jahr aufhorchen ließ. Die Mehrzahl der Akteure, daraus macht Abdullah keinen Hehl, "lehnt den Text ab, weil es aus ihrer Sicht kein Stück ist". Das Knirschen war im Theater in den letzten Wochen kaum zu überhören. Auch die Bühnenbild-Kooperation mit der Fachhochschule Trier gestaltete sich angesichts der komplizierten Produktionsbedingungen im Ausbesserungswerk schwierig. Theater als Experiment am lebenden Objekt, bei dem es dem Regisseur "lieber ist, der Zuschauer regt sich über den Abend auf als ein banales ,war doch schön'". Entsprechend spannend dürfte es ab Sonntag zugehen, wenn "Festung Europa" zum ersten Mal auf dem Spielplan steht. Bis zu 90 Zuschauer können pro Vorstellung dabei sein, Treffpunkt ist jeweils um 19 Uhr der "Service-Point" am Trierer Hauptbahnhof. Aufführungstermine am 2., 10. und 17. Mai. Die Inszenierung wird dann auch ein Trierer Beitrag zum großen Theaterfestival "Maximierung Mensch" sein, das in der letzten Mai-Woche spannende Gastspiele, eine hochkarätig besetzte wissenschaftliche Konferenz und eine groß angelegte "Autoren-Odyssee" durch die Innenstadt nach Trier bringt.

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