Aufgeschlagen - Neue Bücher

Mit 22 hat Julian die erste Trennung zu bewältigen. Der Wiener Student der Tiermedizin hatte erwartet, in einen Freiheitsrausch zu stürzen, wenn die "glückliche Einöde” an der Seite seiner pragmatischen, unkomplizierten Freundin zu Ende ist.

Doch dann fällt er in großen Kummer und gerät in eine Phase der Orientierungslosigkeit - ohne Halt, ohne Plan und voller Selbstzweifel. Um an Geld zu kommen, übernimmt er einen Ferienjob bei seinem Professor, der im Garten für einige Wochen ein Zwergflusspferd beherbergt. Das Tier - eines der letzten seiner Art - passt genau zu Julians Verfassung - gemächlich, dickhäutig, durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Zwar ist der junge Mann innerlich ständig in Aufruhr, mal gekränkt, mal als wütender Weltverbesserer, doch im praktischen Leben ist er passiv und unsicher. Er sehnt sich nach der Genügsamkeit des 250-Kilogramm-Tieres. Das Flusspferd hilft ihm in seinem Schmerz - es strukturiert seinen Tag und lenkt ihn ab. Und führt ihn sogar schließlich zu einer anderen Frau, der Tochter des Professors. Den Sommer 2004 erzählt Julian aus dem Rückblick, zehn Jahre später. Da ist er Tierarzt und trifft seine alte Liebe zufällig wieder. Mag der Plot unspektakulär sein - die Krise eines jungen Studenten -, Arno Geigers Stärke liegt auch im neuen Roman ohnehin vielmehr in der Art der Darstellung. Wie er scheinbar Nebensächlichem Beachtung schenkt, wie er den Blick auf Zwischentöne in menschlichen Beziehungen richtet, Stimmungen auslotet und psychologisch feinsinnig die Gemütslagen seiner Figuren schildert. So passiert in einem Sommer der Lethargie eben doch eine ganze Menge. Annemarie Heucher Arno Geiger, "Selbstporträt mit Flusspferd", Roman, Carl Hanser Verlag, München 2015, 288 Seiten, 19,90 Euro Diese und weitere Volksfreund-Kolumnen finden Sie auch online auf der Seite <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de/kolumne" class="more" text="www.volksfreund.de/kolumne"%>

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