Aufgeschlagen - Neue Bücher

Im vergangenen Jahr war Albert Ostermaier im Libanon. Der Schriftsteller war Teil einer Kulturdelegation um den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), mit dem er befreundet ist.

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Foto: (g_kultur

Mit seinen Eindrücken von Beirut, seiner Reise durch den Libanon, die ihn auch zu einem Lager für Flüchtlinge aus Syrien führte, hat er sich literarisch auseinandergesetzt. In dem Roman "Lenz im Libanon" knüpft Ostermaier Parallelen zu Georg Büchners Novelle "Lenz", in der dieser die Flucht des Schriftstellers Jakob Michael Reinhold Lenz vor sich selbst in die Berge beschreibt, wo Lenz immer mehr dem Wahnsinn verfällt. Ostermaiers Lenz ist ebenfalls ein Schriftsteller auf der Flucht, nur wählt er nicht die Abgeschiedenheit, sondern Exzesse am laufenden Band - Fanatismus, Sensationsgier, exzentrische Partys, Grauen, Gewalt, Leiden, Abgründe. Etwa im Flüchtlingslager: "Er sah in verbrannte Herzen, trocken wie Lippen ohne Wasser, ohne Hoffnung." Auch einem Außenminister begegnet Lenz dort - und ist voll Bewunderung: "Sein Verantwortungsgefühl war ein Motor, der länger lief als die alten Mercedes-Fahrzeuge in Beiruts Straßen, sein Gewissen kannte keine Schonung. (...) Der Minister drückte den Rücken durch. Er will gerade sitzen, Rückgrat zeigen. Er hat es." Diese mäßig versteckte realpolitische Lobhudelei hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Dazu noch die intertextuellen Büchner-Verweise, deren Notwendigkeit sich aber nicht erschließt. Beides verdirbt die Lektüre eines ansonsten äußerst eindringlichen (fiktionalen) Reiseberichts, geschrieben von einem Autor, der nicht nur genau beobachten, sondern auch mit einem schier unerschöpflichen Vokabular beschreiben und seine Figuren debattieren lassen kann. Im Flüchtlingslager lässt Ostermaier seinen Lenz verstehen, "dass jeder Einzelne eine Geschichte hat, die erzählt werden muss, die es wert ist, erzählt zu werden." Vielleicht tut der Autor das ja noch - ohne Lenz und Co. Ariane Arndt-Jakobs Albert Ostermaier, "Lenz im Libanon", 190 Seiten, Suhrkamp Verlag, 19,95 Euro

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