Aufgeschlagen - Neue Bücher

Irgendwo am Fuße des Himalaja befiehlt eine körperlose Stimme Helge Timmerberg 1970, Journalist zu werden. Er beginnt ein Volontariat bei einer Bielefelder Lokalzeitung, an dessen Ende wieder eine Stimme zu ihm spricht: "Suchen Sie sich was anderes.

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Foto: (g_kultur

Was ganz anderes." Es ist die des Chefredakteurs. Timmerberg wird Gastronom, eröffnet das erste vegetarische Restaurant Bielefelds, lange bevor Gemüsetempel hip sind - und scheitert. Also doch zurück zum Journalismus. Mit einer Mischung aus Glück und Größenwahnsinn arbeitet er sich über Wolfenbüttel bis zum Stern nach Hamburg vor. An der Elbe lockt der Ruhm und das große Geld. "Das Beste daran waren die Honorare. (...) Das Zweitbeste am Stern waren die Spesen. Sie spielten keine Rolle. Wer einen Heli brauchte, kriegte einen Heli." Timmerberg schreibt Reportagen, trinkt, kifft, schreibt, trinkt, kifft, schreibt - beim Stern, beim Playboy, beim In-Magazin Tempo, bei der Bunten. Das funktioniert so gut, dass Timmerberg seinen Schreibtisch irgendwann in ein kubanisches Hotel verlegt und mit der Redaktion nur noch per Fax kommuniziert. Und schreibt und kifft und kokst und trinkt und mit den Kubanerinern anbändelt. Er wolle, schreibt Timmerberg in seiner Autobiografie, seinen "jungen Kollegen der Gegenwart erläutern, was Mitte der Neunzigerjahre im Journalismus möglich war. Ich will, dass sie weinen." Das ist ihm gelungen. Für jeden, der heute Zeitung macht, ist das spannend zu lesen und irgendwie unglaublich. Für alle, die mit Redaktionen wenig am Hut haben, aber Timmerbergs Schreibe mögen, sind seine Reisereportagen dagegen sicher mehr zu empfehlen. Eva Jung Timmerberg, Helge: "Die rote Olivetti. Mein ziemlich wildes Leben zwischen Bielefeld, Havanna und dem Himalaja", Piper Verlag, 240 Seiten. 20 Euro.

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