Literatur Aufpassen, hinschauen, wahrhaftig bleiben

Die schottische Schriftstellerin A.L. (Alison Louise) Kennedy erhält am Sonntag den Ersten Internationalen Eifel-Literaturpreis. Mit dem TV sprach sie über ihren jüngsten Roman "Day", das Schreiben und die Verantwortung, die ihr Beruf mit sich bringt.

„Lesen Sie, so viel Sie können“, empfiehlt die schottische Schriftstellerin A.L. Kennedy vor der Preisverleihung in Bitburg. Foto: dpa

„Lesen Sie, so viel Sie können“, empfiehlt die schottische Schriftstellerin A.L. Kennedy vor der Preisverleihung in Bitburg. Foto: dpa

Bitburg. "Es war schon immer meine Veranlagung, so gut wie möglich aufzupassen, hinzuschauen, zu versuchen zu verstehen, zu wissen", hat A. L. Kennedy einmal geschrieben. Das ist fast schon ein Schlüssel zu ihrem Werk, für das sie am Sonntag den Internationalen Eifel-Literaturpreis erhält. Vorher sprach sie mit TV-Mitarbeiter Fritz-Peter Linden.Herzlichen Glückwunsch zum Preis! Was war Ihre erste Reaktion, als Sie davon hörten?A.L. Kennedy: Ich habe mich außerordentlich gefreut - ich denke, es bedeutet einem immer etwas mehr, wenn man etwas außerhalb seines Heimatlandes gewinnt. Und es erhält eine zusätzliche Qualität, wenn das Buch, das du gerade geschrieben hast, von einem Krieg handelt zwischen deinem eigenen und diesem Land. Ich habe mich aber auch sehr für meinen Übersetzer gefreut - Ingo Hertzke -, der ein großartiger Mensch ist und als meine "deutsche Stimme" wunderbare Arbeit leistet. Ich will gar nicht daran denken, wie viel von meinem Ansehen in Deutschland tatsächlich von der Qualität seiner Arbeit abhängt.Vor allem, da Übersetzer in der Regel schlecht bezahlt werden. Aber meiner Meinung nach geht es in "Day" nicht um den Krieg zwischen unseren Ländern, sondern um das, was der Krieg mit den Menschen anstellt.Kennedy: Stimmt, Übersetzer werden überhaupt nicht gut behandelt. Obwohl, in Europa gibt man ihnen immerhin mehr zu tun als in Großbritannien - britische Verleger mögen Übersetzer überhaupt nicht. Und ja - ich hoffe, das Buch handelt von einer universellen Kriegserfahrung und vom Überleben und vom Verlust - und nicht nur davon, dass sich zwei Länder gegenseitig anbrüllen.Sie sagen, dass Schreiben zu können ein Privileg und zugleich eine Verantwortung sei. Inwiefern war das Teil Ihrer Arbeit an "Day"?Kennedy: Ich glaube, jeder Schriftsteller trifft eine Reihe von Entscheidungen darüber, wie er das Schreiben versteht und ausübt. Meiner Meinung nach bedeutet, mit Worten zu arbeiten, dass du mit etwas sehr Mächtigem und zugleich sehr Intimem arbeitest. Deine Leser erlauben dir Zutritt zu ihrer Seele, ihren Gefühlen, sie laden dich sogar ein. Also musst du entscheiden, wie du sie behandeln willst, was du ihnen bieten willst als Wahrheit über die menschliche Natur, welche Beziehung du zu ihnen haben willst. Das alles scheint mir mit Verantwortung und Privileg zu tun zu haben.Mit diesem Buch war es etwas schwieriger, denn ich hatte mit historischen Tatsachen zu tun, mit Einzelheiten, an die sich Überlebende erinnern würden und mit Themen, auf die die Menschen sehr sensibel reagieren. Ich habe mich dazu entschlossen, so wahrhaftig wie möglich zu sein -und wenn das jemand anstößig finden würde, dann würde ich damit klarkommen müssen. Tatsächlich hat nur eine einzige Person Anstoß genommen, und die hat möglicherweise auf etwas reagiert, das persönlicher Natur war und weniger mit meinem Buch zu tun hatte. Ein Wort, das mir bei "Day" in den Sinn kam, war "zärtlich". Und ich dachte, Alfred Day ein Happy End zu schenken, war ein Akt der Gnade Ihrerseits.Kennedy: Ich denke, ich musste so viel Tod und Verlust und Bitterkeit mit etwas Weichem ausbalancieren, auch wenn das vielleicht nicht dem entspricht, was im Leben passiert. Mir war jedenfalls bewusst, dass Alfred eine weitere Zurückweisung durch Joyce einfach nicht überlebt hätte -er hätte seinen kleinen Revolver genommen und sich das Gehirn rausgeblasen. Und das wäre irgendwie nicht das richtige Ende für das Buch gewesen.Beim Festival geht es auch um die Freude am Lesen. Welchen Autoren wenden Sie sich zu, wenn Ihnen danach ist?Kennedy: Ich selbst liebe alle möglichen Autoren - und dann sind da jene Schriftsteller, deren Arbeit und Leben ich respektiere, wie Chechov oder Robert Louis Stevenson. Ich schlage einfach vor, dass die Leute lesen -nehmen Sie sich eine Auszeit von all den übrigen Zwängen, befolgen Sie den Rat von Menschen, die über einen verlässlichen Geschmack verfügen oder über einen interessanten oder herausfordernden - und lesen Sie, so viel Sie können.Übersetzung: Fritz-Peter LindenDie Preisverleihung ist am Sonntag, 8. Juni, 11 Uhr, im Bitburger Haus Beda. Am selben Tag erhält der deutsche Autor Wolfgang Herrndorf den Förderpreis des Festivals.

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