Aus dem Nichts ins helle Licht

SAARBRÜCKEN. Die Taube in der Hand, der Spatz flüchtet aufs Dach: Die Hamburger Indie-Popper Kettcar beweisen in der ausverkauften Saarbrücker "Garage", dass sich kaum eine andere Band den Erfolg so verdient hat wie sie.

"Der lange, lange Weg vom Nichts ins Licht - ganz egal, ob es hält, was es verspricht", singt Marcus Wiebusch. Der Ruf der Vergangenheit dringt durch die dritte Zugabe. Der Kettcar-Sänger ist in helles Licht getaucht. 1000 Zuschauer in Saarbrücken feiern ihn und seine vier Kollegen, sie singen mit Wiebusch: "Nichts ist mehr romantisch, wenn man es genauer betrachtet". Das Lied stammt aus der Kettcar-Frühphase. Damals, vor gut vier Jahren, versteckte sich das Licht noch gern als Floskel am Tunnelende. Keine Kohle, keine Freundin, keine Romantik. Aber alles wird schon, Hauptsache glauben. Heute ist es hell geworden für Kettcar. Nicht nur auf der Bühne. Und nicht nur, weil sich plötzlich alle Medien von der "FAZ" über "Welt" und "Tagesthemen" um die unwahrscheinlichen Helden aus Hamburg reißen, die mit intelligenten Texten und erwachsenem Pop an die Spitze drängen. Das weiß auch Wiebusch. "Ich wollte ja gerne mal im 'Hellmut' spielen, aber das wird wohl nichts", sagt er. Das ist sein Glück, und doch kann man fast ein bisschen Wehmut raushören. "Hellmut" heißt ein kleiner Club in Saarbrücken. Kettcar spielt in der deutlich größeren "Garage". Und selbst die ist viel zu klein: Das Konzert der Hamburger ist seit Wochen ausverkauft. Wer da noch am Abend eine Karte auftreiben will, ist chronisch optimistisch. In Saarbrücken gehen Kettcar von Beginn an in die Vollen. "Deiche", "Ich danke der Academy" und "Landungsbrücken raus" gibt es gleich zu Beginn. "Zu früh", schreit einer. "Genau richtig", meinen andere. Kettcar wissen, wie sie ihr Publikum in den Griff bekommen. Sie streuen ruhigere Nummern ein, wenn es passt. Dazwischen gibt es ein paar krachigere Stücke, die erahnen lassen, dass Wiebusch mit seiner früheren Band "…But Alive" Punk gespielt hat. Damals verkauften sie T-Shirts mit Sätzen wie "Ich möchte Ilona Christen die Brille von der Nase schlagen". Heute, wo niemand mehr Ilona Christen kennt, sind die Botschaften subtiler aber genauso T-Shirt-tauglich. "Hetero und männlich, blass und arm, weil wir bleiben, wie wir war'n", singt Wiebusch. Dass mit dem "arm" kann sich ändern.Besser als die anderen

Die Hamburger liefern in Saarbrücken ein gutes Konzert, keine Frage. 90 Minuten ohne große Durchhänger, ohne Lückenbüßer, aber mit viel Gefühl: Das ist mehr als man von den meisten deutschen Bands erwarten darf. Aber ihre Messlatte ist auch besonders hoch. Sie haben schon bessere Konzerte in der Region gegeben, in Trier und auch im Saarland. Das liegt weniger an gelegentlichen Sound-Problemen, auch nicht an einer gerissenen E-Saite beim Bass-Solo: Kettcar waren schon überzeugter von dem, was sie können. Das ist eine Menge. Aber so ist das nun mal mit hellem Licht: Man muss sich erst dran gewöhnen. Kettcar spielen bei "Rock am Ring" (3. - 5. Juni) und beim "Tag am See" in Losheim (27. August)

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